Der Mann, der nicht geboren wurde
Nischen, in denen sich männliche und weibliche Nadelmörder
lauernd hätten verstecken können, aber mit Bestar als Begleiter entpuppte sich
jede Nische als harmlos. Tjarka grummelte die ganze Zeit unzufrieden vor sich
hin. Rodraeg konnte nur Satzfetzen verstehen wie: »Zu viele FüÃe. Hierhin und
dorthin. Ohne Ziele. Eilig, aber ohne.« Als sie die schmale StraÃe erreichten,
an der das Haus des Mammuts lag, winkte Rodraeg die
beiden zurück. »Ab hier bin ich im Blickfeld und somit unter dem Schutz der
Garde. Es ist nicht nötig, dass der Gardist euch beide zusammen sieht. Viel
Glück, und macht mir gegen morgen Mittag bitte einmal Meldung.«
»Rodraeg?«, druckste Bestar. »Ich würde es besser finden, wenn
Tjarka und ich mitkommen zum Brandhaus. Immerhin waren wir es, die von Siusan
gefangen genommen wurden. Vielleicht sehen wir etwas beim anderen Siusan, das
du übersehen würdest. Und Estéron ist blind, weiÃt du?«
»Hm. Aber ich fürchte, Tjarka will jetzt loslegen mit dem
Spurensuchen.«
»Mir ist das egal. Ich sehe mich auch an diesem Brandort um.«
»Na gut, dann können wir Estéron seine wohlverdiente Ruhe lassen.
Der Tag war anstrengend genug für ihn. Weg hier, bevor der Gardist uns
bemerkt.« Den Marsch nach Norden hätten sie sich sparen können, das
Slessinghaus lag noch in der Südhälfte Warchaims. Rodraeg ärgerte sich darüber,
dass sie so wankelmütig durch die Stadt tappten, aber andererseits konnten sie
so vielleicht eventuelle Verfolger oder Beobachter verwirren.
Das Slessinghaus war schon etwas schwerer zu finden. Der Brandgeruch
war verflogen, und die Häuser in der Gegend südlich des Adelsbezirks standen
kreuz und quer. Aus dem Bordell Drachen & Höhlen drangen Musik und Gelächter. Dann erspähte Tjarka die Brandruine.
Auch dieses Gelände war noch von Seilen mit Stadtgardewimpeln
abgesperrt. Die drei achteten darauf, dass gerade niemand in der Nähe war, und
stiegen einfach darüber. Drinnen stank es noch immer nach RuÃ. »Eine Laterne
wäre jetzt gut«, murmelte Tjarka und schlüpfte unter die heruntergebrochenen
Dachreste.
»Besser nicht als auffälliges Lichtlein hier herumwandeln«, mahnte
Rodraeg, der mit hineinschlüpfte. »Und sei bloà vorsichtig. Das könnte alles
einstürzen.« Bestar blieb noch drauÃen und umrundete das Gebäude vorsichtig.
Tjarka war schon wieder auf allen vieren. Diesmal machte sie sich
wirklich schmutzig. Es schien ihr überhaupt nichts auszumachen. »Der Boden ist
noch intakt. Der Siusan im Thost war ein Maulwurf. Möglicherweise ⦠aber hier
ist nirgendwo so was wie eine Kellerluke. Wenn, dann dort hinten, wo alles eingestürzt
ist.« Sie rüttelte an einem heruntergefallenen Balken, konnte ihn aber nicht
bewegen. Asche rieselte irgendwo herab.
»Sei bloà vorsichtig«, wiederholte Rodraeg. Er sah nichts, wusste
auch gar nicht, wonach er eigentlich suchte, und fühlte sich andauernd an sein
Husten erinnert aufgrund des eingeätzten Aromas von Brand und Vernichtung. Die
Baufälligkeit des Dreimagierhauses war nichts gewesen im Vergleich zur
Endgültigkeit dieser Stätte.
Tjarka rief zischend nach Bestar. Der kam folgsam angetrottet. »Hilf
mir mal mit diesen zwei Balken und dem Schutt dazwischen. Mal sehen, was
dadurch noch gestützt wird.« Die beiden machten sich ans Werk. Rodraeg
überwachte und wies einmal auf eine Einsturzkettenreaktion hin, die im Begriff
war, sich anzubahnen. So rackerten und ächzten die drei über eine halbe Stunde
lang. Sie strebten Lautlosigkeit an und lösten zwar immer wieder Knacken,
Schaben und Schuttrutschen aus, schafften es jedoch, keinen gröÃeren Lärm zu
verursachen. Niemand wurde auf sie aufmerksam. SchlieÃlich fanden sie, indem
sie unter Tjarkas Anweisungen Bretter zum Scharren und Kratzen verwendeten, die
vorher verschütteten Fugen einer Falltür. »Wie kann es sein, dass hier noch
keine Aufräum- und Bergungsarbeiten durchgeführt wurden?«, wunderte sich Rodraeg.
»Zuerst hat alles gebrannt, und niemand kam hier heran«, mutmaÃte
Tjarka. »Und dann wurde keiner mehr vermisst, und niemand hat sich die Mühe
gemacht. Niemand macht sich Mühe, wennâs nicht sein muss. Wir kriegen diese
Falltür nie und nimmer komplett auf. Das halbe Haus liegt hier drauf. Aber wir
könnten ein Loch
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