Der Mann der nicht zu hängen war
möchte Sie zwar nicht mit Privatangelegenheiten langweilen, aber wissen Sie — vor drei Jahren ist meine Frau gestorben. Und der einzige Sohn, den wir hatten, starb während des Krieges. Er war noch ein Kind. Also bin ich heute der letzte Sproß einer berühmten, aussterbenden Familie. So betrachtet, konnte mich also nichts und niemand daran hindern, mir selber dieses — nun, sagen wir, ausgefallene Geschenk zu machen.« Kommissar Brenner, der, wie gesagt, kein Anfänger ist, traut seinen Ohren nicht: »Sie haben diese vier armen Menschen getötet —nur aus Spaß an der Sache? Nur um sich selber ein... ungewöhnliches Geburtstagsgeschenk zu machen?«
»Unter uns gesagt, Herr Kommissar, glauben Sie wirklich, daß diese Leute, die man auf dem Oktoberfest trifft, es wert sind zu leben?«
»Wie bitte? Was sagen Sie da?«
»Sehen Sie: ich nicht! Und mit dieser Meinungsverschiedenheit werden wir uns jetzt auch voneinander trennen. Sie haben doch sicher nicht angenommen, mit den Morden der letzten Nacht hätte ich mir Genüge getan.«
Kommissar Brenner versteht sofort. Er stürzt sich auf Karl Hoffmann. Zu spät. Hoffmann bricht zusammen. Fällt auf den Teppich.
Der Polizeibeamte setzt sich in einen bequemen Sessel und wartet nur noch auf den Arzt, der den Totenschein ausstellen wird: »Exitus infolge Zyankalivergiftung.«
210 Briefe
E r ist 26 Jahre alt und zum Tode verurteilt. Bald wird er gehängt, das ist ihm klar. Wie hätte er auch hoffen können, bei irgend jemandem Verständnis oder auch nur einen Funken Sympathie zu finden. Wer vergibt schon einem Mörder?
Seine Geschichte ist einfach und schrecklich banal. Er kann nicht einmal die Entschuldigung vorbringen, im Affekt gehandelt zu haben. Es war kein Totschlag. Es war Mord. Der Staatsanwalt hat es auch ganz deutlich erklärt — zynisch, mit pathetischen Worten, an die Geschworenen gerichtet: »Thomas Sharp wurde von seiner Frau betrogen. Schön! Aber was tat er, als er seine Frau in flagranti in den Armen eines anderen Mannes fand? Hat er sie etwa gleich im ersten Zorn, im Affekt erwürgt? Nein! Er hat es nicht getan! Er hat sich nur mit dem Mann geprügelt und ihn dann hinausgeworfen. Dafür haben wir, verehrte Geschworene, sicher alle großes Verständnis, oder? So weit, so gut!
Doch am übernächsten Tag erwürgte Thomas Sharp seine junge, erst 24 Jahre alte Frau. Die Mutter seines kleinen Jungen. Er erwürgte sie kaltblütig, wohlgemerkt: 48 Stunden später! Sie sehen, meine Damen und Herren Geschworenen, wir können also wirklich nicht davon ausgehen, daß dieser Mann zur Tatzeit im Affekt getötet hat. Es ist ganz klar: Hier handelt es sich um ein kaltblütig geplantes, genau überlegtes Verbrechen!«
Bei diesen Worten sprang Thomas Sharp empört auf und schrie:
»Nein! Das ist nicht wahr! Es ist einfach nicht wahr! Ich bin — verrückt geworden! Ich wußte nicht mehr, was ich tat. Gott möge mir verzeihen. Ich bin vielleicht sehr aufbrausend und eifersüchtig. Ich habe versucht, mich zu beherrschen, aber sie wollte mich verlassen. Sie wollte mit diesem Mann gehen, für immer! Und dann, dann hat sie sich auch noch lustig gemacht über mich, mich erniedrigt und verspottet! Sie hat mich wahnsinnig gemacht! Mein Gott, ich wollte sie nicht umbringen. Ich schwöre bei Gott, daß ich sie nicht töten wollte! Glauben Sie es mir doch — ich habe es nicht gewollt!«
»Sie haben aber ihren Kopf brutal gegen die Wand geschlagen!«
»Ich weiß es nicht mehr. Ich war wie von Sinnen.«
»Sie haben sie zu Boden geworfen und ihr die Kehle zugedrückt!« führt der Staatsanwalt unerbittlich fort. »Ich habe nie daran gedacht, daß sie sterben könnte. Ich war außer mir. Sie wollte mich doch verlassen!«
»Ach so. Was meinen Sie? Wenn alle Männer in Ihrer Lage ihre Frauen erwürgten — wo kämen wir da hin?« Die Geschworenen sind nicht auf seiner Seite. Nicht nur, weil er getötet hat. Seine ganze Erscheinung gefällt nicht: Gesicht und Schultern sind vierschrötig — ein grober Klotz. Er sieht aus wie eine mißlungene Allegorie auf Macht und Kraft — ein lebendes Symbol der Gewalttätigkeit. Welch ein Gegensatz zu dem zarten, blonden Opfer, dessen Mutter, die selbstverständlich in der ersten Reihe sitzt, sich gegen den Angeklagten in Schmähungen ergeht: »Du rasende Bestie, du... du Ungeheuer! Meine arme, kleine Tochter! Sie durfte andere Männer nicht einmal anschauen!«
Und so wurde Thomas Sharp zum Tode verurteilt. Sein Verteidiger
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