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Der Mann der nicht zu hängen war

Der Mann der nicht zu hängen war

Titel: Der Mann der nicht zu hängen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Westen sind. In der gesamten Presse werden Marta und Gunnar als bemitleidenswerte Opfer hingestellt, denen es jetzt zu helfen gilt. Sie wollen heiraten? Nun, Ungarn wird beweisen, daß es Verständnis hat, ein großes Herz. An jenem Tag lesen Gunnar und Marta keine Zeitungen. Sie gehen zärtlich umschlungen im Wald spazieren.
    »Gunnar, jetzt können wir reden. Hier geht es. Bei mir zu Hause sind bestimmt Mikrophone versteckt. Da bin ich ganz sicher. Ist... ist alles in Ordnung? Wie geht es Mathias?«
    »Er denkt an Sie! Er redet unaufhörlich von Ihnen.«
    »Wirklich?«
    »Ja.«
    »Er hat es leichter als ich. Er kann wenigstens mit jemandem reden! Aber ich, ich habe niemanden, dem ich mich anvertrauen kann, keinen Menschen, nun schon seit einem Jahr, und ich liebe Mathias so sehr.«
    »Für mich ist es auch nicht einfach, Marta. Ingrid fehlt mir entsetzlich.«
    »Aber Sie können sie wenigstens sehen.«
    »Schon. Aber nur selten, und dann darf ich ihr auf keinen Fall zu nahe kommen. Das ist vielleicht schlimmer, als getrennt zu sein.«
    »Pst, leise, da sind Leute! Machen Sie einen verliebten Eindruck.«
    Ein seltsames Gespräch fürwahr. Und dennoch haben sich die beiden gerade das zu sagen, was so unglaublich klingt, wirklich unglaublich: Gunnar, Ingrid, Marta und Mathias haben sich gegenseitig niemals betrogen. Die beiden Paare hatten von Anfang an alle Einzelheiten miteinander verabredet. Und der Plan, den sie sich ausgedacht hatten, war so kompliziert, daß es kaum zu glauben ist.
    Die Horvaths wollten natürlich beide in den Westen. Aber das scheiterte an einem simplen praktischen Problem: In dem Versteck des umgebauten Wagens hatte nur einer Platz. Hätten sie die Flucht von Marta später so arrangieren können, wie sie es einem Journalisten erzählt hatte, womöglich ebenfalls in einem Wagen mit doppeltem Boden? Natürlich nicht. Denn von dem Tag an, an dem Mathias geflüchtet war, wurde sie streng überwacht. Diese Möglichkeit fiel also aus. Die Freunde mußten sich etwas anderes einfallen lassen. Und so kamen sie auf ihre geniale Idee: Wenn Mathias in Schweden ist, heiratet er Ingrid, und die jeweiligen betrogenen und verlassenen Partner werden von aller Welt bemitleidet. Und wie rührend wird erst die Geschichte, wenn Gunnar nach Ungarn zurückkehrt, um Marta zu trösten — und bei ihr Trost zu suchen.
    Und tatsächlich, bis jetzt hat alles ganz vorzüglich funktioniert. Die Presse spielte mit, ohne im geringsten zu merken, was eigentlich zwischen Stockholm und Budapest gespielt wurde. Doch nun zum Ende des ganzen Abenteuers — sicherlich ein glückliches Ende. Es dauert allerdings noch seine Zeit.
    Nach einigen Wochen wird die Hochzeit von Gunnar und Marta Johnsonn in Budapest gefeiert, mit großem Pomp, vor Journalisten und Regierungsvertretern. Diese Verbindung nimmt Symbolcharakter an. Gunnar beschließt, für immer in Ungarn zu bleiben — eine Wahl, die Menschen aus dem Westen nur selten zu treffen pflegen, und so werden ihm alle erdenklichen Rechte zugestanden. Und als er im Frühjahr 1981 zusammen mit seiner Frau eine vierzehntägige Reise nach Schweden beantragt, bekommen sie ohne Schwierigkeiten ihr Visum. Fotografen sind dabei, als sie ins Flugzeug steigen, und ein kleines Mädchen überreicht ihnen sogar den obligatorischen Blumenstrauß.
    Ein paar Stunden später, auf dem Stockholmer Flughafen, werden sie ebenfalls von der Presse empfangen. Denn Ingrid und Mathias haben jetzt das ganze Unternehmen aufgedeckt — kurz nachdem die Maschine in der Luft war. Klar, daß die Journalisten unbedingt über das Happy-End dieser ungewöhnlichen Fluchtgeschichte berichten wollten.
    Als das Flugzeug landet, stürzen Ingrid und Mathias ihren — geschiedenen — Partnern entgegen. Zwei »wilde« Paare umarmen sich freudestrahlend und überglücklich im Trubel der begeisterten Menge.
     

Der Feigling
     
    Z u beiden Seiten der staubigen, kerzengeraden Straße erstreckt sich eine verdorrte, von der glühenden, amerikanischen Sonne völlig ausgetrocknete Landschaft. Neben einem Kaktus weist ein Schild darauf hin, daß die Stadt Medway nur noch wenige Kilometer entfernt ist. Hier und da vereinzelt ein paar Holzhäuser. Der Himmel ist rot. Die Sonne läßt sich hier sehr viel Zeit, bevor sie hinter dem Horizont der weiten Ebene verschwindet.
    Gleich links bei den ersten Häusern der Stadt eine gespenstische Tankstelle, seit Jahren schon außer Betrieb. Und gegenüber eine Bar, fast noch gespenstischer. Hier

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