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Der Mann, der nichts vergessen konnte

Titel: Der Mann, der nichts vergessen konnte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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weiße Vogel war dem sehr ähnlich, der sie und Tim über den Atlantik gebracht hatte. Eine gute Pilotin kontrollierte ihre Maschine vor jedem Flug persönlich, und Jamila zählte sich zu dieser gewissenhaften Spezies von »Luftgeborenen«.
    Während sie um das Flugzeug herumging, gegen die Reifen trat, an Verbindungen rüttelte und andere wichtige Kontrollen absolvierte, wartete Tim mit seiner Leibgarde im USO-Club.
    Die United Services Organisations taten alles, um die Moral der Armee-, Marine- und Luftwaffeneinheiten durch ein weitgefächertes Freizeit- und Erholungsprogramm zu stärken.
    Dazu zählte auch die Lounge in der Nähe der Halle E. Als »Gast« einer Behörde, die dem Verteidigungsministerium untersteht, gehörte auch Tim, wenigstens vorübergehend, zur Truppe und hatte ein Anrecht auf überzuckerte Softdrinks, fettige Erdnüsse und andere Köstlichkeiten.
    Damit seine Moral nicht zu sehr gefestigt wurde, hatte Owl ihm die zwei Schwerathleten an die Seite gestellt: Knight, der schwarze Riese, und Microbrain, eine kraftstrotzende weißhäutige Kampfmaschine mit geringfügig niedrigerer Scheitelhöhe, dem Intelligenzquotienten und Haarschnitt einer Wurzelbürste und einem biokybernetischen Anzug, der sie wie einen Menschen erscheinen ließ – so jedenfalls schätzte Tim den blonden NSA-Agenten ein.
    Ihm steckte immer noch die schreckliche Nachricht von Ainsworth Lessings Tod in den Knochen. Allein die theoretische Möglichkeit, wie ein Hotdog-Würstchen zwischen den beiden Killern des Bibliothekars zu stecken, dämpfte seinen Bewegungsdrang enorm. Doch vielleicht gaukelten ihm seine überspannten Nerven auch nur etwas vor. Der arme Bücherwurm könnte tatsächlich nur ein weiterer Bauer gewesen sein, der von den Meistern des Endspiels vom Brett gefegt worden war.
    Nach ungefähr einer halben Stunde betrat Jamila den USO-Club. Ihre Miene verhieß nichts Gutes.
    »Probleme?«, fragte Knight.
    Sie nickte. »Technischer Defekt. Der Jet fällt aus. Ich muss mit meiner eigenen Maschine fliegen.«
    Knight und Microbrain starrten sie an, als habe sie von einer Magnetschwebebahn mit Tretantrieb gesprochen.
    »Du hast ein eigenes Flugzeug?«, wunderte sich Tim.

    Sie sah ihn kaum an, während sie militärisch knapp erwiderte: »Eine Skyhawk. Zweisitzer. Gut erhaltener Oldtimer. Leider passen wir da nicht alle rein.«
    »Dann fordere halt eine andere Maschine an«, sagte Knight.
    »Hab ich schon versucht. Sie haben momentan keine frei.«
    »Ich rufe Owl an und…«
    »Kannst du dir sparen. Hab ich auch schon probiert. Er ist gerade in einer Krisensitzung und darf nicht gestört werden.
    Du kennst ihn ja: Er reißt gerne Köpfe runter, wenn man ihn ohne triftigen Grund aus Meetings rausholt. Zur Zeit ist er besonders reizbar.«
    Microbrain strich sich mit der Hand über die blonde Bürste.
    »Ich finde, das hier ist ein triftiger Grund«, beharrte Knight.
    Jamila trat dicht an ihn heran, stemmte die Fäuste in die Seiten und blickte grimmig zu ihm hinauf. »Ich will dir sagen, was er akzeptieren wird«, erwiderte sie. »Wenn ich ihn nachher anrufe und ihm sage, dass wir leider unseren Job heute Abend nicht erledigen können, weil ihr zwei mich mit eurem Gejammer aufgehalten habt, dann wird er eure Kündigung akzeptieren. Morgen ist nämlich Sonntag. Da tagt der Verein, den wir heute Abend besuchen wollten, und zwar gewöhnlich bis spät in die Nacht. Wir könnten also frühestens Montag wieder zum Zuge kommen. Diese Verzögerung unserem Chef mitzuteilen ist ein Himmelfahrtskommando. Wollen wir schon mal die Streichhölzer verteilen, um herauszufinden, wer den Kürzeren zieht?«
    Knight und Microbrain sahen sich fragend an.
    Jamila packte Tim am Arm, zog ihn mit sich und rief den beiden Agenten zu: »Während Ihr ausknobelt, wer demnächst im Fitnessstudio die Geräte desinfiziert, erledigen Dr. Labin und ich schon mal unseren Job. Ihr könnt ja die Kollegen in New Haven anrufen, damit sie uns vor Ort unterstützen.«

    Als sie außer Hörweite waren, sagte Tim: »Muss ich das verstehen, was da eben passiert ist?«
    »Der NSA-Vogel ist wahrscheinlich verwanzt. In meiner Kiste können wir ungestört reden.«
    »Raffiniert. Den zwei Kettenhunden hast du ja gehörig was zu knabbern gegeben.«
    Sie lächelte grimmig. »Die Methode nennt sich Social Engineering. Hab ich von Owl gelernt.«
    Wenig später waren sie auf dem Flugfeld. Die Luft schien getränkt zu sein von Lärm. Jamila führte Tim zu dem Areal, wo die

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