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Der Mann, der sich in Luft auflöste

Der Mann, der sich in Luft auflöste

Titel: Der Mann, der sich in Luft auflöste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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sein.«
    »Tatsächlich?«
    Der Portier machte höflich ein interessiertes Gesicht. Der Gast hat selbstverständlich immer recht. »Vielleicht nicht ganz so bekannt, Sir.«
    »Ist das ein männlicher oder weiblicher Name?«
    »Ari ist ein weiblicher Name, eher eine Koseform. Eine Verniedlichung von Aranka.«
    Der Portier hielt den Kopf schräg und betrachtete das Geschriebene.
    »Aber der Nachname, Sir. Ist das wirklich ein Name?«
    »Kann ich bitte mal ein Telefonbuch haben?« Es gab natürlich niemanden namens Bökk, jedenfalls keine Person. Aber so schnell gab er nicht auf. Eine leicht geübte Tugend, wenn man ohnehin nicht weiß, was man anfangen soll. Er versuchte es mit ein paar Varianten der Schreibweise. Das Ergebnis war wie folgt: BOECK ESZTER, penziö, XII Venetianer üt 6, 292-173.
    Zum ersten Mal an diesem Tag kam ihm eine Idee. Er holte den Zettel hervor, den er von der jungen Frau im Jugendhotel bekommen hatte.
    Venetianer üt. Das konnte kaum ein Zufall sein.
    An der Rezeption hatte eine junge Frau den Platz des ehrerbietigen Empfangschefs eingenommen.
    »Was bedeutet das hier?«
    »Penziö? Pension. Soll ich dort für Sie anrufen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wo ist diese Straße?«
    »Im zwölften Bezirk. In Üjpest.«
    »Wie kommt man dorthin?«
    »Am schnellsten natürlich mit dem Taxi. Ansonsten mit der Straßenbahn, Linie 3 ab Marxplatz. Aber es ist bequemer, eines der Schiffe zu nehmen, die hier draußen anlegen. Richtung Norden.«
    Das Schiff hieß Üttörö und war eine Freude fürs Auge. Ein kleines, kohlebefeuertes Dampfschiff mit hohem Schornstein und offenen Decks.
    Während es ruhig und gemächlich am Parlament und der grünen Margareteninsel vorbei flussaufwärts tuckerte, stand Martin Beck an der Reling und philosophierte über den Fluch der Motorisierung. Er ging zum Kesselmantel und schaute hinunter. Die Hitze stand wie eine Säule über dem Kesselraum. Der Heizer war nur mit einer Badehose bekleidet.
    Sein muskulöser Rücken glänzte vor Schweiß. Die Kohlenschaufel rasselte. Woran dachte wohl der Mann in der infernalischen Hitze da unten? Mit größter Wahrscheinlichkeit an den Segen der Motorisierung, vermutlich sah er sich selbst Zeitung lesend neben einem Dieselmotor sitzen, Putzwolle und Ölkanne in bequemer Reichweite. Martin Beck widmete sich wieder dem Studium des Schiffes, aber der Heizer hatte dem Vergnügen einen Teil seines Reizes genommen. So war es mit den meisten Dingen. Man konnte nicht alles haben: entweder -oder.
    Das Schiff glitt an weitläufigen Freibädern und Parkanlagen vorbei, schlängelte sich durch ein Gewimmel von Kanuten und Freizeitseglern, passierte einige Brücken und fuhr dann durch eine Enge in einen ziemlich schmalen Flussarm, stieß ein kurzes, heiseres Triumphsignal aus und legte in Üjpest an.
    Nachdem er an Land gegangen war, drehte Martin Beck sich um und betrachtete den herrlich gebauten Dampfer, der so funktional gewesen war - damals, in seinen besten Zeiten. Der Heizer kam an Deck, lachte in die Sonne und sprang mit einem Satz ins Wasser.
    Der Stadtteil hatte einen anderen Charakter als die Teile Budapests, die er bisher gesehen hatte. Er überquerte einen großen leeren Platz und unternahm ein paar halbherzige Versuche, nach dem Weg zu fragen, konnte sich aber nicht verständlich machen. Trotz des Stadtplans verlief er sich und geriet hinter einer Synagoge auf einen Hof, der offensichtlich zu einem jüdischen Altersheim gehörte. Gebrechliche Überlebende aus finsterer, böser Zeit nickten ihm aus ihren Korbstühlen, die in dem schmalen Schattenstreifen an der Hauswand standen, aufmunternd zu.
    Fünf Minuten später stand er vor dem Haus Venetianer üt 6. Nichts an dem zweigeschossigen Gebäude wies besonders darauf hin, dass es eine Pension war, allerdings standen auf der Straße davor einige Autos mit ausländischen Kennzeichen. In der Halle traf er gleich auf die Pensionswirtin. »Frau Boeck?«
    »Ja. Wir sind leider voll belegt.«
    Sie war eine kräftige Frau in den Fünfzigern. Ihr Deutsch schien bemerkenswert fließend zu sein.
    »Ich suche eine Dame namens Ari Boeck.«
    »Das ist meine Nichte. Erste Etage. Die zweite Tür rechts.«
    Sprach's und ging. So einfach war das. Martin Beck stand einen Augenblick vor der weißgestrichenen Tür und hörte, dass sich drinnen jemand bewegte. Dann klopfte er, ganz leicht. Die Tür wurde sofort geöffnet.
    »Fräulein Boeck?«
    Die Frau wirkte völlig überrumpelt. Offensichtlich hatte sie

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