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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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schüchternste Schuljunge, den man sich denken konnte. Immer sorgsam auf sein Aussehen bedacht, mit Markenkleidung und Gel im Haar, höflich und bereit zur Zusammenarbeit. Die Beweislage gegen ihn war schwach, ein Auto, das dem seines Vaters ähnelte, war nach einem Feuer in einem Gemeindehaus gesehen worden, eine Flasche Brandbeschleuniger mit den Fingerabdrücken des Knaben hatte man im Kofferraum gefunden. Nichts Auffälliges im Computer, keine Spuren von Gewalt, keine Bombenrezepte, kein Satanistengequatsche oder omnipotente Tagebuchaufzeichnungen, die viele solcher Doppelnaturen zu entlarven pflegen. Nicht vorbestraft und mit guten Schulzeugnissen, ein Freispruch schien sonnenklar.
    Mitten während der Tatbeschreibung durch den Staatsanwalt war der Junge dann plötzlich aufgestanden, hatte die Augen verdreht und begonnen mit dem Teufel zu sprechen. Er zerbrach sein Wasserglas und drückte sich die Scherben in den Arm. Mit eckigen Bewegungen versuchte er die Adern zu treffen, bevor es den Wachen gelang, ihn zu justieren, bespritzt von Blut und Speichel des Jungen. Betablocker und schließlich psychiatrische Klinik, erinnerte Kenneth sich mit einem Schaudern, und chemische Reinigung für seinen besten Anzug.
    Kurz vor Mittag kam ein hochgewachsener Amtsarzt, der sich in dröhnendem Bass als Lars Wallin vorstellte. Er untersuchte den Inhaftierten oberflächlich, fand keine physischen Schäden und konnte nur bestätigen, dass der Betreffende keinen verbalen Kontakt aufnahm. Das konnte ein Zeichen von Depression oder anderen psychischen Störungen sein, erklärte Wallin, aber auch genauso gut einfach daran liegen, dass der Mann schlecht gelaunt war. Falls die Polizeibeamten noch nicht selbst auf die Idee gekommen waren.
    Während der Mittagspause hatte Therese die Zeit genutzt, Esaias Vanhakoskis Haus zu überprüfen. Der Besen stand zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor der Tür, und in der Garage in der Scheune hockte der bärtige Lundin und wühlte mit Plastikhandschuhen in einer Werkzeugkiste. Er holte einen Schraubendreher hervor und betrachtete ihn unter einer Lupe.
    »Fehlt noch viel?«, fragte Therese.
    »Das Haus ist fertig, du kannst rein. Übrigens hat die Hose da hinten gelegen.«
    Er zeigte auf eine alte grüne Plane neben ein paar mit Spikes versehenen Winterreifen.
    »Warum hat er sie nicht verbrannt?«
    »Tja, gute Frage. Vielleicht war er nicht klar im Kopf, als er bei dem Alten war. Und als er nach Hause gekommen ist, ist er zu sich gekommen und hat begriffen, was er da gemacht hat. Panik, weg mit dem Plunder, irgendwo verstecken, ganz gleich wo.«
    »Oder aber er ist dumm.«
    Lundin nickte und schlug die Werkzeugkiste zu.
    »Oder er wollte geschnappt werden. Im tiefsten Inneren.«
    Therese stupste die Plane ein wenig mit dem Zeh an. Sie hatte Ölflecken, vielleicht stammten sie auch von Werkzeugschmiere. Sie öffnete eine Seitentür und schaute in einen großen, dunklen, lang gestreckten Raum mit Holzverschlägen.
    »Hatten sie hier früher Kühe?«
    »Bestimmt«, nickte Lundin. »Und da stand wahrscheinlich der Trecker.«
    Therese ging in den Stallbereich. Immer noch, nach all den Jahren, hing ein Geruch von Tieren und Mist in der Luft. Aber nur leicht, wie ein würziger Hauch, jetzt stand hier alles voll mit Gerümpel, ein zur Hälfte auseinandergenommener Schneepflug, ein uralter Pferdeschlitten, Benzinfässer, die hohl klangen, wenn man draufkloptte, eine alte Egge mit rostigen Zinken und abblätternder Farbe. In einer Ecke lehnten ein paar Milchkannen mit großen aufgemalten Ziffern, und daneben parkte ein schrottreifer gelber Volvo, ein Gutsherrenwagen mit dem Nummernschild BD 42408.
    »Hier könnte man problemlos eine Leiche verstecken!«, rief sie.
    Lettische Beerenpflücker in Portionshäppchen. In Dosen verpackt. Formalin. Nein, das war ein Horrorfilm, sie hatte ganz offensichtlich zu wenig geschlafen.
    »Wir sind mit dem Hund hier herumgelaufen«, sagte Lundin, »das Einzige, was wir gefunden haben, war eine tote Katze. Umso merkwürdiger ist, was wir nicht gefunden haben.«
    »Und was?«
    »Einen Schnapsbrennofen. Ich hätte meinen Kopf drum gewettet, dass er einen hat, aber er muss ihn irgendwo anders versteckt haben.«
    Lundin ging weiter zu einer Wand mit Kartoffelhacken, Rechen und verschiedenen Spaten. Therese trat hinaus in die Sonne und lief quer über den Hof zum Wohnhaus hinüber. Die Außentreppe war vor langer Zeit geteert worden, inzwischen aber nur noch grau und rissig. Sie

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