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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Tanja gar nicht gefallen. Es wunderte mich nicht, daß Rufus schwul
ist: Wie er aussieht, bleibt ihm nichts anderes übrig, als schwul zu werden.
     
    Als nächstes stand Nummer 14
auf dem Plan. Ein Einzelzimmer, genauso winzig wie die 12. Hier also wohnte ein
Dauermieter. Neben dem Bett stand ein Karton mit Erdnüssen, Salzbrezeln und
Pistazien, auf dem Fensterbrett vier Flaschen alkoholfreies Bier. Das Bett war
offensichtlich Freitag frisch bezogen worden, schmutzig war nur der Spiegel
über dem Waschbecken.
    Nach der 14 beschloß ich, mir
mit meinem Generalschlüssel einen Generalüberblick über meinen Arbeitsbereich
zu verschaffen und die Zimmer anzusehen, die ich noch nicht gesehen hatte. In
15 standen zwei Betten — natürlich voneinander getrennt. 17 war das größte
Zimmer von allen. Drei Betten, an jeder Wand eines. Zwei große Schränke, und
unter einem seitlichen Fenster ein halbhohes, halbantikes Schränkchen, es sah
aus, als stamme es aus der ursprünglichen Hoteleinrichtung der
Jahrhundertwende, es war sogar recht hübsch, aber hier kam es nicht zur
Geltung. Hier stand auch ein ovaler, ziemlich guter Kirschbaumholztisch, aber
dazu plastikbezogene Küchenstühle!
    In Zimmer 11 entdeckte ich
endlich ein französisches Bett. Zimmer 11 war das schönste — relativ. Es war im
letzten Jahrzehnt neu tapeziert worden, hellbraune Margeriten auf Hellblau —
bestimmt nicht mein Geschmack, aber bedeutend besser als die andern Tapeten.
    Im ersten Stock in Zimmer 6
blühten zerfranste Heckenröschen zwischen abstrakten Krakeln, in Zimmer 7
kreuzten sich Schilfrohrhalme mit Schilfrohrkolben. Die schlimmste Tapete war
in Zimmer 8: ringsum Segelschiffe auf bräunlichen Wellen, im Muster abwechselnd
nach links oben oder rechts unten segelnd. Seekrank konnte man werden von
dieser Tapete.
    Überhaupt fragte ich mich, ob
ich es in diesem Gerümpelgroßlager aushalten würde, ohne ständig daran zu
denken, was man alles rauswerfen sollte. Nirgendwo entdeckte ich eine zufällig
reizvolle Kombination von Mustern oder Möbeln. Im Hotel Harmonie hatte der
schlechte Geschmack überwältigend gesiegt. Aber je mehr ich darüber nachdachte,
desto weniger störte es mich. Erstens wohne ich hier nicht. Zweitens kenne ich
die Leute nicht, die hier wohnen. Und drittes bin ich hier nur vorübergehend.
Ich würde professionelle Distanz wahren: Hier bin ich Zimmermädchen und sonst
gar nichts.
    Rufus servierte eine Pizza in
der großen Küche im Erdgeschoß. Die Küche schien wie aus einem anderen Hotel:
bestens ausgestattet, hochmoderner Geschirrspüler, hochmoderner Herd, Mikrowellenherd,
spezielle Getränkekühlschränke, Profi-Kaffeemaschine, alles war da. »Das ist
Frau Hedderichs Refugium«, erklärte Rufus.
    Obwohl die Pizza köstlich war,
sagte Rufus, er befürchte, demnächst gegen Pizza allergisch zu werden. »Wir
könnten mal zusammen Chili con Carne machen«, sagte er.
    »Nein, das gibt nur Ärger.«
    »Ärger?«
    »Ich meine, wenn die Chefin das
erfährt. Ich bin ja nicht als Köchin eingestellt, sondern als Putzfrau. Ich muß
jetzt weiterputzen.«
    »Vorbildliche Arbeitsmoral«,
sagte Rufus, »wenn du es verantworten kannst, eine Tasse in deiner Arbeitszeit
mit mir zu trinken, mach ich uns Kaffee.«
    »Also gut.«
    Anschließend zeigte mir Rufus
die andern Räume im Erdgeschoß. An die Küche schloß sich der Frühstücksraum an:
sechs Tische mit je fünf Stühlen. Alle Tische und Stühle von einer Sorte. Das
war aber auch die einzige Überraschung. Das Tapetenmuster zeigte dunkelblaue
Rosen auf beigegrünlichen Gittern. Die Vorhänge waren orange-beige gestreifelt.
Hinter dem Frühstücksraum, durch eine ockergelbe Falttür aus Skai-Kunstleder
getrennt, ein Raum mit weiteren dreißig Stühlen, sechs Tischen und einigen
Sesseln, alles verstaubt. Dies wäre eigentlich der Gesellschaftsraum, der werde
aber derzeit nicht benutzt. So sah er auch aus. Aus vier Fenstern sah man auf
den Hinterhof mit kahlen Bäumen und Mülltonnen: Es war ein tröstlicher
Ausblick, auch draußen war die Welt trübe, nicht nur hier drinnen im Frühstücks
& Gesellschaftsraum.
    Zwischen Gesellschaftsraum und
Rezeption befanden sich Damen- und Herrentoiletten, aber die putzte Frau
Hedderich. Auf der gegenüberliegenden Seite war das sogenannte Kontor. Darin
ein Schreibtisch, ein Aktenschrank aus Blech, einer aus Resopal und ein
überraschend schöner Mahagonischrank. — Ich muß mir abgewöhnen, hier auf die
Möbel zu achten, sonst werde ich

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