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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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durchzieht, dammda di da dämm, dämm da
dämm...«
    Manchmal pendelte Harald hin
und her, ohne Drehung, was gut war, weil mir schwindlig war und ich Angst
hatte, demnächst ohnmächtig zu werden. Was war das auf der Treppe? War’s ein
flücht’ger Schatten? War’s ein Einbrecher? War’s Rufus? Schon waren wir wieder
vorbei. Auf der Donau lang, bamm, bamm, bamm...
    »...was der Tag
    uns auch bringen mag...«
    »Diese Wolke dort hängt
schief«, sagte Harald, »die muß weg.«
    »Ich finde alle Wolken
wunderbar«, sagte ich atemlos.
    »Eine falsche Wolke ist wie ein
falsches Gefühl, ich könnte mich nie daran gewöhnen«, sagte Harald. »Eine
falsche Wolke ist eine kitschige Wolke. Also weg.«
    »Bambam dadadamm bamm!
    Und zum Schluß,
    wenn ich dann auch weinen
    muß... dada di dadamm, da da
da...«
    Es ist ein nicht endensollender
Donauwalzer.
     
    Als er trotzdem endete, stand
ich wie betäubt, Harald verbeugte sich vor mir, zog meine Hand an seine Lippen
und rief: »Mehr Musik! Mehr Licht!«
    Ich blieb einfach stehen.
    Er schaltete die Deckenbeleuchtung
ein, spulte die Kassette zurück, verbeugte sich wieder vor mir, ergriff wieder
meine Hand— ich sah wieder in seine Augen, und da ging es wieder los: »AUGEN SO
BLAU!
    SO SCHÖN!
    UND BLAU!
    SO STRAHLEND BLAU!«
    Zufällig bemerkte ich wieder
den Schatten auf der Treppe. Für den Fall, daß es Rufus war, rief ich ihm zu:
»Ich habe dir viele Kleiderbügel mitgebracht!«
    Der Schatten verschwand.
    »...Junges Blut, frischer
Mut...«
    — Keine Ahnung, was dieser Text
zu bedeuten hatte —
    »...da da dida damm, dada dam,
    Taratirampampam!
    Und so geht’s auf der Donau
entlang.
    Whamm! Whamm!
    Und zum Schluß, wenn ich dann
auch weinen muß...«
     
    »Das gleiche noch mal«, rief
Harald sofort beim letzten Ton, »ich muß es noch mal in diesem Rhythmus
erleben. Die Decke ist zu schwach beleuchtet, gibt’s hier nicht mehr Licht?«
    »Man könnte stärkere Birnen
einschrauben«, keuchte ich.
    »Dazu haben wir jetzt keine
Zeit. Darf ich bitten?«
    »AUGEN SO BLAU...«
    Und Harald drehte mich ganz
locker an einem Finger um mich selbst, wie Leute in alten Filmen Rock’n’Roll
tanzen, und im Augenblick, als ich mich ihm wieder zudrehte, sah ich unsere
Hände vor den Wolken, und ich sah sie vor mir, als wären sie ein Teil von
Michelangelos berühmtem Deckengemälde, der Erschaffung des Adam. Gott hat Adam mit
einem Finger seiner ausgestreckten Hand berührt. Und Adam beginnt zu leben.
Genauso war es.
    Wieder vibrierten die Wolken.
    Wieder wogte die Donau.
    »Bambam bamm bamm bambam
bambam!«
    Welch Getöse!
    »Und erobert die Herzen mit
Macht!« schrien die Sängerknaben. Wieder ging der Text im Gebrüll unter, das
einzige, was ich noch verstand, war:
    »JAWOHL für ew’ge Zeit!
    JAWOHL zur Seligkeit!«
    Bums! Tschäng! Quietsch! Aus!
Ende! Schluß!!!
    Verbeugung von Harald. Ich knickste.
Harald küßte meine Hand. — Wenn uns jemand sehen würde, in unseren
Anstreicherklamotten!
    Ich lachte so, daß mir die
Tränen runterliefen.
    Was für ein Tag!
    »Morgen ist es vollendet«,
sagte Harald.
    Und morgen ist auch noch eine
Nacht.
     
     
     

94. Kapitel
     
    Harald kam am Samstag früher
als üblich, er wollte eine Thermoskanne Kaffee aufs Gerüst und absolute Ruhe.
Als ich zwei Stunden später wieder zu fragen wagte, ob er etwas brauche,
reagierte er nur sauer: »Verschwinde bis heute abend, etwa um sechs bin ich
fertig und ein anderer Mensch.«
    Auf Zehenspitzen verschwand
ich.
    Die Tatsache, daß Harald nur
Stunden vor der Vollendung des großen Werkes war, inspirierte mich, ebenfalls
etwas Großartiges zu beenden. Ich beschloß, die Löwenläufer in den Fluren zu verlegen.
Eigentlich war das erst kurz vor der Eröffnung geplant, aber da nun niemand
mehr mit Farbe an den Schuhen durchs Haus latschte, konnte es auch heute
gemacht werden.
    Im dritten Stock fing ich an —
zugegeben nicht ganz uneigennützig —ich wollte zuerst, schon in dieser Nacht,
auf meinem Flur vor der Tür meines Zimmers die Pracht erleben. Ich entfernte
die Plastikplane von den versiegelten Bodendielen, gut, daß Walkwoman schon so
weit wie möglich saubergemacht hatte, so genügte es jetzt, kurz staubzusaugen
und alle Klebebandreste abzupopeln. Die Läufer waren für jede Etage in den
Putzräumen bereitgelegt, jeweils ein langer Abschnitt und zwei kürzere für die
Flure links und rechts vom Aufzug. Die Halterungen mit den Teppichstangen hatte
der Schreiner schon angeschraubt. Ich

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