Der Mann, der's wert ist
wie?« rief Herr Wöltje.
»Bist du immer so schwer von
Begriff?« sagte Ute genervt. »Sandy mußte die Rolle übernehmen, weil sie die
einzige in unserer Klasse ist, die je mit einem alten verheirateten Mann
zusammen war.«
»Ich bin kein alter Mann, ich
bin Mitte Vierzig.«
»Mein Vater ist jünger als du,
und der ist ganz schön alt«, sagte Ute.
Herr Wöltje sackte zusammen.
»Erzähl mal, um was es
inhaltlich ging bei eurem Rollenspiel«, sagte Benedikt.
»Also, ich konnte mich sehr gut
in die Rolle der Geliebten des alten Vaters versetzen, weil ich ein sehr
phantasievoller Mensch bin, und ich hab die ethischen Werte und Normen
vertreten, daß es besser ist, einen Mann mit Geld zu haben, weil ich nicht bei
meinen Eltern wohnen müßte. Und daß es besser ist, wenn ich vor der Ehe meine
sexuellen Erfahrungen sammle, weil ich dann besser vergleichen kann, und dann
war noch was...«, sie kratzte nachdenklich an einem Pickel, »...ach ja,
sozialer Status. Mein sozialer Status wäre besser gegenüber den Mädchen, die
keinen Freund haben.«
»Und jetzt verrate ich dir, was
ich gesagt habe«, sagte jemand hinter mir. Ich drehte mich um, es war Sandy
persönlich. »Ich hab gesagt, was hab ich denn davon, wenn ich als Zweitfrau in
einer Zweitwohnung nur rumvögeln soll und nicht zum Lernen komme, und dann
raßle ich wegen Biologie durchs Abitur und hab mir meine Zukunft vermasselt!«
»Genau das hat sie gesagt«,
bestätigte Ute Unförmig. »Und Sandy hat auch gesagt, daß es ethisch wertlos
ist, in einer Boutique zu jobben, um sich Klamotten kaufen zu können, die nur
alten Männern gefallen.«
Neben Sandy stand der blonde
Zahnpastariese von vorher. Er hatte einen Arm um ihre Taille gelegt und
betrachtete Herrn Wöltje aufmerksam, als sei Herr Wöltje eine lebensgroße
Plastikfigur, zu Lehrzwecken im Sozialkundeunterricht präsentiert. Schließlich
sagte er: »Gehe ich recht in der Annahme, das ist die Vaterfigur, mit der du
früher gegangen bist?«
Sandy schloß die Augen. »Bitte
erinnere mich nicht daran«, hauchte sie. Darauf sagte sie energisch zu Herrn
Wöltje: »Das ist Hansi.«
»Ist das dein Neuer? Ist er
besser im Bett?« nuschelte Herr Wöltje.
Hansi nickte: »Würde ich für
durchaus korrekt halten, ich bin besser im Bett. Bekanntlich erreichen Männer
den Höhepunkt ihrer sexuellen Leistungsfähigkeit zwischen zwanzig und
fünfundzwanzig. Bei Frauen liegt der Höhepunkt der sexuellen Leistungsfähigkeit
um dreißig.«
Herr Wöltje konnte nur noch
nuscheln: »Er ist nicht besser im Bett.«
»Er ist besser in Biologie!« zischte
Sandy. »Kapierst du das nicht! Der Hansi gibt mir Nachhilfe in Bio. Soll ich
etwa wegen Bio durchs Abi rasseln? Mein Abi ist mir wichtiger als deine
Sex-Krise. Und wohnen kann ich auch bei meinen Eltern, und da muß ich nicht
putzen wie in deinem Apartment. Und Hansi und ich, wir sind eine
gleichberechtigte Partnerschaft. Ich geh dem Hansi nämlich Nachhilfe in
Englisch!« Sie
küßte den Hansi zärtlich aufs Kinn.
»I love you more
than words can wield the matter, my sweet-heart«, sagte Hansi.
»Das ist aus King Lear«, sagte
Sandy stolz, »aber davon hast du auch keine Ahnung.«
»Er ist nicht besser im Bett«,
nuschelte Herr Wöltje.
»Vielen Dank für das Gespräch«,
zischte Sandy und rauschte ab, den Arm um Hansi gelegt, ihre Hand in seiner
Hintern-Hosentasche.
Kaum war sie weg, begann Ute
Unförmig Herrn Wöltje zu trösten: »Vielleicht bist du gar nicht schlechter im
Bett, aber er ist besser in Bio, das mußt du akzeptieren«, sie streichelte
Herrn Wöltjes Hand. Aber der wußte nicht mehr, was los war. »Soll ich dir ‘ne
Piña Colada ausgeben?« fragte Ute Herrn Wöltje. »Mein Vater hat mir heute
vierzig Mark gegeben.«
»Vierzig Mark gibt dir dein
Vater?« Soviel hätte ich nie bekommen.
»Mein Vater will nicht, daß ich
mich von Männern aushalten lasse«, sagte Ute Unförmig und kratzte an einem
Pickel.
»Er ist nicht besser im Bett«,
lallte Herr Wöltje.
Benedikt stand auf. »Wir gehen
jetzt besser ins Bett.«
Ute Unförmig meinte, man könne
Herrn Wöltje nicht ohne weiteren Trost gehen lassen, aber wir gingen trotzdem.
Wir transportierten Herrn Wöltje mit dem Taxi in sein Familienheim. Er war zu
besoffen, um den Hausschlüssel zu finden.
Benedikt klingelte. Sofort kam
Frau Wöltje.
»Hier bringen wir Ihnen Ihren
Mann zurück«, sagte Benedikt.
»Unverantwortlich, daß du bei
dieser Eiskälte ohne Schal durch die Gegend rennst«,
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