Der Mann, der's wert ist
sagte sie zu ihrem Mann.
»Verloren hab ich ihn,
verloren«, lallte Herr Wöltje kleinlaut.
28. Kapitel
Am Silvesterabend fuhren wir in
unserem Cabrio der Sonderklasse ziellos in die Nacht hinaus. Ohne Nora — sie
war mit Mercedes auf einer Operetten-Silvester-Gala, natürlich hatte sie
versucht, Benedikt auch dazu zu überreden, aber er hatte sich geweigert.
Wunderbar — mein letzter Sieg gegen Nora für dieses Jahr.
Als in unserem Autorecorder wieder
Marilyn Monroe sang »I wanna be loved by you, just you and nobody else but
you...«, überlegte ich, was ich mir — außer Benedikts Liebe — fürs neue Jahr
wünschen sollte. Ich machte mir Sorgen: Wie lange würde es nach der
Wettbewerbsentscheidung dauern, bis Onkel Georg mich einstellen konnte?
Benedikt sagte, ich solle mir keine Sorgen machen, er könnte mir soviel Geld
geben, wie ich brauche, und wir würden Medi noch mal ernsthaft bitten, mir die
Miete eine Weile zu stunden.
Per Autotelefon riefen wir meine
Eltern an. Mein Vater rief nur: »Gutes Neues, und überhaupt alles Gute«, und er
fasse sich kurz, es sei wahnsinnig teuer, vom Autotelefon anzurufen. Meine
Mutter sagte, auch sie fasse sich kurz, weil es wahnsinnig teuer sei, vom
Autotelefon anzurufen. Dann erzählte sie ausführlich, daß sie dieses Jahr nicht
wie sonst mit Engelhardts feierten, sondern mit Solveig. Ja, nur meine Eltern
und Solveig, denn Annabell war auf einer Silvesterfete ihrer neuen
Selbsthilfegruppe. Eine Selbsthilfegruppe für Mütter, deren Kind in den
nächsten zwei Jahren eingeschult wird. Dort würden die Mütter lernen, einige
Stunden ohne Kind leben zu können. Es sei eine offizielle, staatlich
unterstützte Selbsthilfegruppe für Kindabhängige. Und die ganze Familie müsse
bei der Therapie mitarbeiten, aber Annabell mache großartige Fortschritte, sie
wäre sogar damit einverstanden gewesen, nach ihrer Fete, zu der nur die Mütter
durften — ohne Kind, wohlgemerkt! — , allein nach Hause zu gehen und Solveig
die ganze Nacht bei Oma und Opa zu lassen. Aber mein Vater hatte das sabotiert,
weil er strikt dagegen war, daß Solveig zwischen Oma und Opa im Ehebett
schlief. Nur deshalb müßte Annabell später Solveig abholen. Aber Annabell sei
nun schon immerhin zwei Stunden ohne Solveig unterwegs und hätte erst ein Mal
angerufen, schwärmte meine Mutter. Ausnahmsweise war ich froh, als ich Solveig
schreien hörte: »Ich will telefonieren!«, das ersparte mir, weitere Lobeshymnen
auf Annabell ertragen zu müssen.
Dann rief Benedikt Herrn Wöltje
an, wünschte ihm, daß das neue Jahr besser werden sollte als das alte,
jedenfalls besser enden sollte. Herr Wöltje sagte nur: »Mir ist alles
scheißegal.« Ich drückte mein Ohr auf der andern Seite gegen den Hörer: Herr
Wöltje redete nervtötend langsam, wie unter einer Überdosis Beruhigungsmittel.
Er erzählte, er hätte nun die Idee gehabt, das Apartment aufzugeben, und weil
er es möglichst schnell weitervermieten wollte, um nicht unnötig lange Miete zu
bezahlen, hätte er sich überlegt, an wen, und da hätte er die Idee gehabt,
Detlef Jacobi zu fragen, der sich doch von seiner Xanthippe trennen wollte. Und
er hätte bei Detlef angerufen, Detlef sei nicht dagewesen, nur seine Xanthippe,
da hätte er natürlich nichts gesagt. Und dann hätte er noch mal angerufen, und
Detlef sei wieder nicht dagewesen, und die Xanthippe hätte gesagt, sie hätte
keine Ahnung, wann er wiederkäme. Und heute nachmittag hätte er wieder
angerufen, und Detlef wieder nicht da, und da hätte er schließlich der
Xanthippe erzählt, daß sein Apartment zu vermieten sei und daß er Detlef fragen
wolle, ob Detlef daran interessiert sei. Und da hätte Detlefs Freundin gesagt,
das hätte er ihr gleich sagen sollen, und das sei ja ausgezeichnet, und
selbstverständlich würde Detlef das Apartment nehmen. Und zwar ab sofort. Und
die Freundin sei erstaunlich nett gewesen und hätte sich bei ihm bedankt. Und
gleich darauf hätte ihn Detlef zurückgerufen, und der würde ihm sogar das Bett
abkaufen, das Herr Wöltje für sein Apartment angeschafft hatte. Und so sei bei
der ganzen Sache wenigstens etwas Gutes rausgekommen. »Was ist das Gute an der
Sache?« fragte Benedikt ziemlich ironisch, »daß Detlef das Bett übernommen hat
oder daß er und Tanja sich trennen?«
»Mir ist doch alles
scheißegal«, sagte Herr Wöltje.
»Also, dann bis Dienstag«,
Benedikt sah ungeduldig auf die Uhr. Aber Herr Wöltje hatte nervtötend langsam
noch mehr zu
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