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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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reden: »Vielleicht kann man demnächst im Büro wieder einigermaßen
normal arbeiten. Diese außerehelichen und nichtehelichen Beziehungen stören bei
der Arbeit.«
    »Also dann bis Dienstag«, sagte
Benedikt und legte auf. Er sah auf die Uhr: »Dieses Gespräch hat mich
vermutlich fünfzig Mark gekostet! Ich würd’s dem Wöltje Zutrauen, daß er mit
Absicht so lange geredet hat, weil er neidisch auf mein Autotelefon ist. Und jetzt
freut er sich, daß sich auch Detlef und Tanja trennen. Da muß er sich nicht als
der einzige Versager fühlen, da kann er behaupten, daß er voll im Trend liegt.«
    Ich fand es schrecklich, so von
kaputten Beziehungen umzingelt zu sein. Aber Benedikt sagte: »Wenn kaputte
Beziehungen kaputtgehen, ist es kein Schaden.«
    Da hatte er recht. Wir fuhren
glücklich ins neue Jahr hinein.
     
     
     

29. Kapitel
     
    Nach Silvester hatte ich kein
Geld, um weiterzurenovieren, also wurde ich auch zu Hause arbeitslos.
    Als wir Mercedes baten, mir die
Miete zu stunden, erklärte sie, sie hätte fest mit dem Geld gerechnet, und wenn
sie die Miete nicht pünktlich bekäme, müßte sie bei ihrer Bank unverschämte
Überziehungszinsen zahlen. Sie war aber sofort zufrieden, als ich versprach,
auch ihre Überziehungszinsen zu erstatten. Lieber an Mercedes zahlen als meinen
Vater anpumpen.
    Benedikt gab mir das Geld für
die täglichen Einkäufe, aber nun nervte uns Nora beim Frühstück und beim
Abendessen mit Sonderangebots-Informationen aus ihren Anzeigenblättchen. Da war
Salami dreißig Pfennig billiger als in dem Supermarkt, wo ich sie gekauft
hatte, dort der Käse sage und schreibe fünfzig Pfennig billiger, und Butter war
überhaupt überall billiger. Nora blickte anklagend auf die astronomisch teure
Butter und seufzte zu Benedikt: »Und alles von deinem Geld.«
    Fast hätte ich gesagt, daß es
nicht billiger wäre, würde ich stundenlang mit dem Bus ans andere Ende der
Stadt fahren, um ein halbes Pfund Butter im Sonderangebot zu kaufen, aber ich
schwieg, sie hätte nur gesagt: »Du hast doch sonst nichts zu tun.« Aber es war
klar, daß ich mir einen Job besorgen mußte. Einen Aushilfsjob für ein, zwei
Monate.
    Ich durchsuchte die Zeitungen
nach Stellenangeboten für Innenarchitektinnen. Nichts. Natürlich nichts.
Schmerzlich erinnerte ich mich an die Tatsache, daß Innenarchitektin ein
typisch schöner Frauenberuf ist und deshalb als besonders überflüssiger Beruf
gilt. Architekt ist dagegen ein typischer Männerberuf, und deshalb ist es
gesetzlich vorgeschrieben, daß man ohne Architekt nichts bauen darf, was größer
ist als ein Vogelhäuschen. In der Hochschule hatte eine Feministin an die Wand
geschrieben: »Die Welt ist häßlich, weil man ohne Architekt nichts bauen darf,
sie wäre schöner, dürfte man ohne Innenarchitektin nichts einrichten.«
Einerseits fand ich das übertrieben, andererseits ist wahr, daß im allgemeinen
Denken die Welt in eine männliche und in eine weibliche Sphäre aufgeteilt ist.
Männern gehört die Außenwelt, Frauen die Innenwelt. Männer beherrschen die
Einrichtungen des öffentlichen Lebens, Frauen die Einrichtung der Wohnung.
Alles, was zur männlichen Sphäre gehört, gehört zur höheren, besseren Sphäre.
Auch in der Kunst: Architektur gehört zu den klassischen Künsten, aber
Innenarchitektur war noch nie Kunst. Oder in der Malerei: Landschaftsmalerei
ist künstlerisch wertvoller als Interieurbilder. Die Literatur ist überfüllt
mit Landschaftsbeschreibungen, aber wer hält es für wichtig, ein Zimmer zu
beschreiben? — Und ich hatte zur Zeit nicht mal in meiner eigenen Sphäre einen
richtigen Platz. Ich fühlte mich fast heimatlos.
    Ich fuhr morgens mit dem Bus in
die Stadt, schlich um alle Einrichtungshäuser in der Hoffnung, ein Schild zu
finden: »Dringend Innenarchitektin gesucht«. Aber nur an der Tür eines
Billig-Supermarktes stand: »Stundenweise Kassiererin gesucht«, und am
Schaufenster einer Hähnchenbraterei klebte ein fettfleckiger Zettel: »Frau zum
Grillen und Zerteilen gesucht«. Durchs Fenster beobachtete ich, wie die ältere
Hähnchenbraterin aufgespießte, aneinandergequetschte Hähnchen mit einer Gabel
vom Grillspieß runterschob, die Hähnchen halbierte oder in Schenkel und Flügel
zerteilte und in einem Warmhaltekasten stapelte. Gräßlich. Und vor allem: Würde
mich ein Kollege von Benedikt bei so einem Job sehen — oder noch schlimmer:
Angela! —, das wäre tödlich für Benedikts Image und für meines auch.

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