Der Mann, der's wert ist
der
Talkshow gesagt, Fellatio sei auch für die Frau am allerschönsten, weil sie da
den Orgasmus des Mannes viel direkter miterleben könne als auf die bürgerliche
Art. Und Fellatio hätte außerdem den großen Vorteil, daß Frauen davon nicht
schwanger werden, und Männer können sich nicht mit Geschlechtskrankheiten
anstecken. Und eine häßliche Frau, die aus irgendwelchen Gründen auch zu der
Talkrunde gehörte, sagte, sie hätte überhaupt keine Angst vor Sperma, eine
Portion Sperma hätte nicht mehr Kalorien als drei Austern, nur ungefähr 21
Kalorien.
...Wenn ich einen Mann liebe,
wie ich Benedikt liebe, kann ich vor männlichen Phantasien nicht meine Augen,
nicht meinen Mund verschließen...
Aber die Vorstellung,
Kaulquappen im Mund zu haben, war zu eklig. Lieber an Mimosen denken. Ich hatte
im Supermarkt Mimosen gesehen, sie waren mir aufgefallen, weil es nur jetzt, im
Winter, Mimosen gibt.
Das Problem war aber auch, daß
es nicht genügte, es tun zu wollen, man muß es auch können. In einer
Frauenzeitschrift hatte ich gelesen, wie man üben muß, um es richtig zu machen:
Man soll, um die Mundmuskulatur zu trainieren, gekochte Makkaroni einzeln
einsaugen. Das Entscheidende: Keinesfalls durfte man dabei die Zähne zur Hilfe
nehmen, denn dann bekämen die Männer Angst, die Frau würde ihnen in der Ekstase
die Nudel abbeißen.
Man solle auch mit Würsten
üben, wie man daran lutscht. Ich ging hinunter in die Küche. Unter meinen
persönlichen Vorräten war auch eine Dose Bockwürstchen. Ich legte ein Würstchen
auf einen Teller. Es gelang mir nicht, es nur mit den Lippen in den Mund zu
saugen, das elende Würstchen war zu schwer. Dann dachte ich, daß das eine
praxisfremde Übung ist, man darf ja durchaus die Finger zur Hilfe nehmen. Ich
nahm das Bockwürstchen in die Hand, schob es unter saugenden Lippenbewegungen
in den Mund, so tief ich konnte, da überkam mich ein Würgereiz, und
verzweifelt, um nicht daran zu ersticken, und bemüht, es trotzdem nicht
auszuspucken, biß ich das Würstchen ab. Vor Schreck bekam ich einen
Hustenanfall und spuckte dann doch alles auf den Boden. — Ein Glück nur, daß
Benedikt das nicht gesehen hatte, er hätte einen Schock fürs ganze Sexleben
bekommen.
Das war albern, mit einem
Würstchen zu üben. Das war auch nicht das Problem. Wie ein Bockwürstchen
schmeckt, wußte ich. Mein Problem war die Angst, daß Sperma so schmeckt, wie es
aussieht: wie wäßriger Rotz.
Oder wie schmecken Mimosen? Daß
es gerade jetzt Mimosen zu kaufen gab, war ein Wink des Schicksals. Ich eilte
wieder zum Supermarkt. Da standen sie noch, in einem Eimer vor der Tür, das
Bund zu 5,80 Mark. Bei jedem Bund war höchstens noch die Hälfte der kugeligen
Mimosenblüten eidottergelb, die andern Kügelchen waren häßlich gelbbraun
verschrumpelt, erfroren oder verblüht. Egal, das reichte, ich hatte nicht die
Absicht, gleich einen ganzen Strauß Mimosen zu schlucken. Die Kassiererin sah
mich an, als wisse sie, warum ich Mimosen kaufe. Vielleicht kaufen alle Frauen
Mimosen nur, um zu üben, wie man Sperma schluckt?
Ich stellte die Vase auf
unseren Arbeitstisch in Benedikts Zimmer und starrte die Mimosen an. Die
eidottergelben Kügelchen mit den plustrigen Härchen sahen aus wie tausendfache
Vergrößerungen von Bakterien. Sie sahen aus wie etwas, gegen das man allergisch
werden könnte. Vor allem gegen den Geruch. Sie stanken ziemlich ordinär.
Ich drehte ein Mimosenkügelchen
zwischen den Fingern. Die Härchen zerbröselten zu gelbem Staub. Vorsichtig
leckte ich daran. Es schmeckte nach Staub. Ich legte ein neues, noch
aufgeplustertes Mimosenkügelchen auf meine Hand, leckte wieder daran, es blieb
an meiner Zunge hängen, so leicht war es. Ich ließ es vorsichtig auf der Zunge
rotieren, es war, als ob man eine Staubfussel essen würde.
Und plötzlich hatte ich einen
eigentümlichen Nachgeschmack im Mund: bitter, säuerlich, irgendwie auch seifig.
Wieder überkam mich ein Brechreiz. Das konnte ja heiter werden. Oder war es nur
meine Angst, die Mimosen könnten giftig sein? Sperma ist nicht giftig.
Warum ekelte mich dann davor?
Sperma ist echt die natürlichste Sache der Welt. Und wenn man wie Benedikt und
ich füreinander bestimmt ist, kann nicht mal die Bundesministerin für
Gesundheit was dagegen haben. Unsere Liebe ist kein flüchtiges Abenteuer. Ganz im
Gegenteil, dachte ich etwas betroffen, bei uns ging es bereits darum, unseren
Liebesalltag neu zu beleben.
Ich mußte es wagen. Ich
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