Der Mann, der's wert ist
habe.«
»Ach so.« Was sollte ich sonst
dazu sagen?
»Er hat schrecklich darunter
gelitten, daß ich mehr verdiene als er. Und seit Januar verdiene ich noch mehr,
das hätte sein Leiden verschlimmert. Das wollte ich ihm nicht antun.« Sie griff
nach dem ausgefüllten Formular. »Wie hoch ist dein monatliches Einkommen?
Ungefähr?«
»Ich glaub, mein Vater wird mir
nächsten Monat wieder fünfhundert Mark geben.«
»Sonst keine Einkünfte aus
Vermietung, Alimente, Witwenrente, Stipendien?«
»Ich hab einen Job in Aussicht
bei meinem Onkel, also bei Herrn Faber, als Innenarchitektin. Da fange ich
demnächst an.«
»Richtig, Detlef hat mir
erzählt, daß dein Freund über verwandtschaftliche Beziehungen in die Firma
gekommen ist.«
»Er hat sich beworben wie alle
andern. Und mein Onkel stellt mich auch nur ein, weil er findet, daß ich eine
gute Innenarchitektin bin.«
»Jedenfalls verdienst du jetzt
noch nichts. Deshalb kann ich dir anbieten, daß wir dein Konto als kostenloses
Junior-Konto führen. Sobald du ein Gehaltskonto hast, bekommst du Euroschecks
und Kreditkarte auf Wunsch.«
»Kann ich gleich hundert Mark
abheben?«
»Eigentlich muß der Scheck erst
gutgeschrieben werden, aber weil ich dir glaube, daß er gedeckt ist, kannst du
gleich was abheben.«
»Das ist nett.« Ich seufzte
froh.
Sie füllte ein
Auszahlungsformular aus, dann gab sie mir ein Kärtchen, auf dem meine Kontonummer
stand, und eine Visitenkarte:
Tanja Kachel
Diplom-Betriebswirtin
stellv. Abteilungsleiterin
»Tanja Kachel heiße ich. Kachel
wie Kachelofen oder wie Wandkachel. Mal heiß, mal kalt, genau wie ich.«
Ich lachte höflich.
Sie fragte: »Und was machst du
so den ganzen Tag und den ganzen Abend, bis du berufstätig wirst?«
Ich zögerte etwas: »Zuerst hab
ich unsere Wohnung renoviert, und zur Zeit überlege ich, was ich mache.«
»Ich überlege auch zur Zeit,
was ich mache.« Sie griff zu der gelben Broschüre, in der sie vorher gelesen
hatte. Es war ein Volkshochschul-Kursverzeichnis. »Alle meine Kolleginnen
machen Seidenmalerei und Bauchtanzkurse. Nur ich bin weniger daran
interessiert, mich selbst zu finden, ich will zuerst einen neuen
Lebensgefährten finden. Und in solchen Kursen sind nur Frauen.«
»Glaubst du nicht, daß auch
Männer solche Kurse machen?«
»Ich will keinen Mann, der als
Hobby Seidenmalerei oder Bauchtanz macht.« Das Kinn auf die Hand gestützt, in
der Pose klassischer Nachdenklichkeit, fragte sie: »Was könnte ich denn
lernen?«
Wie sollte ich das wissen? Gab
es überhaupt etwas, was sie nicht konnte? Mit ihrem teuren Haarschnitt und
ihrem teuren Twinset sah sie aus wie die ideale Business-Frau. Diplomatisch
sagte ich: »Mir hat man neulich empfohlen, kochen zu lernen.« Ich lachte, damit
sie merkte, wie spießig ich das finde.
»Was für Menschen machen denn
Kochkurse?« fragte sie mehr sich selbst als mich und blätterte dabei in ihrem
Verzeichnis. »Hier gibt’s jede Menge Kochkurse.« Sie las vor:
»Im Wintersemester finden
nachstehende Kochkurse an verschiedenen Schulen statt:
Kochen für Anfänger
Chinesische Küche für
Fortgeschrittene
Tortenbacken für Könner
Französische Küche für
Fortgeschrittene
Kochen mit dem Mikrowellenherd
für Fortgeschrittene.
Alle Kurse beginnen in der
ersten Februarwoche.
Kursdauer: 10 Abende, je ein
Abend pro Woche.«
Plötzlich rief Tanja: »Das ist
die Idee! Ich mach einen Kochkurs für Anfänger!«
»Ehrlich?«
»Mach mit!«
Ich war total überrascht von der
Idee, kochen zu lernen! Meine Fähigkeiten als Geliebte vervollkommnen, gerne,
aber kochen lernen? Was würde Benedikt sagen, wenn ich meinen Typ in diese
Richtung veränderte? Würde er das nicht spießig finden? »Da muß ich erst meinen
Freund fragen.«
»Du mußt ihn fragen, ob er dir
erlaubt, einen Kochkurs für Anfänger zu machen?« Sie sagte es eindeutig
ironisch.
»Nein. Ich meine, zeitmäßig.«
Sie sah wieder ins Verzeichnis.
»Freitags ist in der Rothschild-Schule ein Anfängerkurs. Freitag ist für mich
ideal, da machen wir nie Überstunden. — Kursgebühr 95 Mark. Kannst du dir das
leisten?«
»Ich hab nicht soviel Geld
dabei, ich meine, ich brauch die hundert Mark zum Einkaufen.«
»Du kannst die Kursgebühr von
deinem Konto überweisen. Falls du das Geld nicht sonst brauchst.«
»Nein, ich meine, ich kann mir
das leisten.«
»Was überlegst du dann?«
»Warum willst du kochen
lernen?« — Aber eigentlich überlegte ich, warum eine
Weitere Kostenlose Bücher