Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
Fehlschlag erweisen könnte. Er hätte schon entmutigt gekündigt, wenn nicht Hopkins’ Lob gewesen wäre, das mit jedem abgelehnten Entwurf an Wärme zunahm und auch stets absolut ehrlich klang. Vielleicht macht er immer so weiter, bis er sich definitiv dazu entschließt, dich zu feuern, und dann macht er mich richtig fertig, dachte Tom. Aber warum sollte so einer lügen? Vielleicht glaubt er ja wirklich, ich mache es gut. Vielleicht findet er es normal, dass eine Rede tausendmal umgeschrieben wird.
Tom wusste es nicht. Jedes Mal, wenn Hopkins ihn aufbaute, riss Ogden ihn wieder ein. »Das wird ja sogar noch schlechter «, sagte Ogden, als er den dritten Entwurf las. »Machen Sie einen frischen Ansatz! Bringen Sie ein bisschen Pep rein!«
Nur einen Trost hatte er. Die Rede musste schon in wenigen Wochen fertig sein, falls Hopkins sie überhaupt hielt – es würde schlicht unmöglich sein, sie auf ewig umzuschreiben.
Eine Woche später, Tom war mitten im sechsten Entwurf und von einer akzeptablen Endfassung offenbar weiter entfernt denn je, wurde er von einem simplen Vorfall abgelenkt: Betsy verkaufte das Haus in Westport und vereinbarte dabei, binnen zweier Tage auszuziehen. Tom hatte sich in falscher Sicherheit gewiegt, weil nur wenige das Haus besichtigt hatten, und vermutet, es werde wohl noch einige Zeit dauern, bis Betsy ihre Pläne umsetzen konnte. »Aber warum hast du denn eingewilligt, binnen zwei Tagen auszuziehen?«, fragte er bestürzt, als sie ihm sagte, sie habe ein Angebot über sechzehntausend Dollar angenommen.
»Er wollte mit seiner Familie einziehen – er ist gerade aus Chicago gekommen«, sagte Betsy. »Er hat so einen guten Preis geboten, und da hatte ich Angst, dass er wieder geht.«
»Wie sollen wir das denn schaffen?«, fragte Tom. »Wir müssen Porzellan einpacken und Kleider, alles ! Und ich muss Tag und Nacht an dieser Rede arbeiten!«
»Mach dir wegen des Packens keine Gedanken«, sagte Betsy. »Ich werde alles bereithaben. Samstagmorgen kommen die Umzugsleute, und Samstagnachmittag setzen wir uns alle ins Auto und fahren nach South Bay.«
Als Tom am nächsten Abend von New York nach Hause kam, stand jedes Zimmer im Haus voll mit Kartons und Tonnen.
»Daddy!«, sagte Janey erfreut. »Mama hat gesagt, wir müssen nicht alles sauber und ordentlich halten!«
Tom sah sich in dem Durcheinander um, und plötzlich war ihm das Haus unsagbar lieb. Der Fragezeichen-Riss in der Wand, das schäbige Mobiliar, das abgewetzte Linoleum auf dem Küchenboden – das alles erschien ihm nun als Teil von etwas Kostbarem, das ihm nun schnell entglitt, etwas, was schon weg war und nie mehr wiederkam. Er ging zum Küchenschrank, in dem sonst die Spirituosen standen, doch nichts mehr war da, und der leere Schrank war schön mit sauberem weißem Papier ausgelegt.
»Die Flaschen sind in dem großen roten Papierkorb«, sagte Betsy fröhlich.
Stumm schenkte Tom sich ein Glas ein.
»Heute hat wieder dieser Mr Howard angerufen«, sagte Betsy. »Ich habe ihm gesagt, wir würden in Großmutters Haus ziehen. Er schien ziemlich enttäuscht – kein Wunder. Ich habe nämlich etwas über ihn herausgefunden.«
»Was denn?«, fragte Tom trübsinnig.
»Er ist Immobilienmakler – da hat er uns einen ganz schönen Bären aufgebunden, dass er das Haus zum eigenen Gebrauch kaufen wollte. Er ist Makler bei dieser Restaurantfirma. Mrs Reid, die Maklerin, die das Haus für uns verkauft hat, kannte seinen Namen und hat es mir gesagt.«
»Der wollte aber doch kein Restaurant da oben auf dem Berg aufmachen«, sagte Tom. »Solche Restaurants bauen die an Schnellstraßen.«
»Mrs Reid meint, er wollte es womöglich gar nicht als Restaurant – er spekuliert nebenher mit Immobilien. Vermutlich wollte er das machen, was wir damit machen werden. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen.«
Ein gutes Zeichen, dachte Tom – genau das brauche ich. Die alte Vorahnung einer Katastrophe kroch an ihn heran. Die hatte ich schon tausendmal, dachte er – das bedeutet überhaupt nichts. Mit meinem Job läuft’s doch ganz gut. Hopkins mag mich. Wir sind ganz schön clever, dass wir dieses Haus verkaufen und in das von Großmutter ziehen. Da machen wir noch was verdammt Gutes draus!
Er konnte sich nicht überzeugen. Selbst wenn ich gefeuert werde, macht es nichts, dachte er. Wir haben jetzt ein wenig Geld. Ich mache dann eben ein eigenes Geschäft auf. Ich werde es mir zum Hauptberuf machen, Großmutters Haus zu verkaufen.
Plötzlich
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