Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
doch ganz knapp auf Kante genäht.«
»Herrgott, dann würden wir eben hundertzehntausend aufnehmen und mit zehntausend Zinsen und Steuern bezahlen – damit kämen wir über zwei Jahre durch!«
»Ich weiß nicht«, sagte Tom. »Bei Ihnen klingt das alles so einfach. Und wenn es zu unvorhergesehenen Verzögerungen kommt? Wenn Sie Ihr Baumaterial nicht rechtzeitig kriegen oder ein Unwetter alles kaputtmacht, was ist, wenn es zu einer Wirtschaftskrise kommt und wir unsere Häuser nicht loswerden, wenn sie fertig sind? Mit diesem Vorhaben kann man leicht einen Haufen Geld machen, aber auch leicht pleitegehen!«
»Tom sieht bei allem immer erst die schlechte Seite!«, sagte Betsy ungeduldig. »Tommy, manchmal glaube ich, du suchst richtiggehend nach Gründen, dass nie was getan wird.«
»Sie müssen was riskieren«, sagte Bugala. »Mann, alles ist doch ein Risiko! Die Kohle machen diejenigen, die ein Risiko eingehen! Wäre ich nicht risikobereit gewesen, würde ich jetzt immer noch Steine klopfen!«
»Ich bin durchaus risikobereit«, sagte Tom. »Ich möchte nur sicher sein, dass die Chancen gut stehen.«
Bugala lachte und stand auf. »Wir schaffen das schon!«, sagte er zuversichtlich. »Melden Sie sich bei mir, wenn Sie mit Richter Bernstein über die Aufteilung gesprochen haben.«
Am nächsten Morgen auf dem Weg zum Bahnhof bat Tom Betsy, am Wasser entlangzufahren, wo der alte Yachtclub gewesen war, damit er sich Hopkins’ Haus ansehen konnte. Unwillkürlich trat Betsy auf die Bremse, als sie es sahen. Hopkins’ Haus war flach, lang und riesig. Der Kai des alten Yachtclubs war abgerissen und an seiner Stelle eine sorgfältig mit Pfeilern abgestützte Seemauer und ein aufwendiger künstlicher Hafen gebaut, in dem eine hohe weiße Jolle vertäut lag. Wenigstens fünf Hektar grüner Rasen trennten das Haus von der Straße. Betsy pfiff. »Und für den arbeitest du?«, sagte sie.
22
Am selben Morgen erwachte Ralph Hopkins in seiner Wohnung in der Park Avenue exakt um sieben Uhr. Er hatte bis nach Mitternacht noch an seiner Rede über psychische Gesundheit gearbeitet, und kaum hatte er die Augen aufgeschlagen, waren seine Gedanken wieder ganz erfüllt davon. Der letzte, von Ogden geschriebene Entwurf war nicht gut, und Hopkins fragte sich allmählich, ob er überhaupt je eine Rede über psychische Gesundheit so hinbekam, wie er sie halten wollte. Vielleicht war ja auch die ganze Idee, ein Komitee für psychische Gesundheit ins Leben zu rufen, ein Fehler gewesen. Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass es Viertel nach sieben war. Keine Zeit, sich jetzt Gedanken über die Rede zu machen – vor ihm lag ein arbeitsreicher Tag. Er sprang flink aus dem Bett, durchschritt forsch sein kleines, schlicht eingerichtetes Schlafzimmer und schob eine Tür auf, die in einen großen, gefliesten Duschraum führte. Er zog seinen Seidenschlafanzug aus, trat in eine Kabine und zog den Vorhang zu. Er drehte an einem komplexen Chromelement an der Wand vor ihm, worauf aus einem Dutzend Düsen, die an der Decke und an allen Seiten der Kabine eingesetzt waren, heißes Wasser mit Hochdruck auf ihn spritzte. Langsam drehte Hopkins an dem Element, bis das Wasser lauwarm war – der Arzt hatte ihm verboten, kalt zu duschen. Eine halbe Minute stand er in dem lauwarmen Wasser, dann stellte er die Dusche ab und trat aus der Kabine. Aus einem speziellen Fach in der Wand nahm er ein gewaltiges, warmes Frottiertuch. Er wickelte sich darin ein, während er den Raum durchquerte und auf eine Waage trat, die in den Fußboden eingebaut war. Er wog dreiundsechzig Kilo, einschließlich des Tuchs. Das waren anderthalb Kilo zu viel, fand er, und machte sich im Kopf eine Notiz, weniger zu essen. Es war dumm, dick zu werden, dachte er – die Hälfte seiner Freunde fraßen sich ins Grab.
Nachdem er die Zähne geputzt und sich rasiert hatte, ging er ins Ankleidezimmer, wo sein Butler ihm seine Kleider bereitgelegt hatte. Der Butler war nicht da – Hopkins mochte es, wenn die Kleider für ihn bereitlagen, aber er hasste es, wenn Leute ihn betüterten. Er zog sich selbst an.
Um Viertel vor acht ging Hopkins nach unten ins Wohnzimmer, und just in dem Moment kam auch gerade seine Privatsekretärin, Miss MacDonald, herein, die ältere grauhaarige Dame, die Tom im Vorzimmer aufgefallen war. Sie begann ihren Arbeitstag stets um Viertel vor acht in Hopkins’ Wohnung und fuhr dann mit ihm ins Büro.
»Guten Morgen, Miss MacDonald«, sagte er aufgeräumt.
Weitere Kostenlose Bücher