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Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pontus Ljunghill
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nach.
    »Können Sie sonst noch etwas über sein Aussehen sagen? Egal, was.«
    »Er war nicht wie ich«, erklärte Schiller. »Das war kein Vagabund. Er sah ziemlich gut angezogen aus.«
    »Wann haben Sie das Mädchen entdeckt? Wissen Sie, wie spät es war?«
    »Ich habe keine Uhr, aber es war schon spät, das weiß ich. Ich hab mich irgendwann nach Mitternacht da hinten an der Djurgårdsbrücke schlafen gelegt, bin dann aber nach einer Weile wieder aufgewacht. Ich wollte mir etwas Bequemeres suchen. Also ziemlich späte Nacht oder sogar schon früher Morgen, denke ich.«
    Schiller hatte um zwanzig vor fünf bei der Polizei angerufen, überlegte Stierna. Wie lange war das Mädchen da schon tot gewesen?
    »Von wo aus haben Sie die Polizei angerufen?«
    »Aus der Telefonzelle hinten bei Skansen.«
    »Ah ja. Vielen Dank.«
    Harry Schiller murmelte etwas, Stierna konnte es nicht verstehen.
    »Wie bitte?«
    »Ich habe ihn gesehen«, sagte Schiller. »Und gleichzeitig habe ich ihn nicht gesehen. Gleichzeitig konnte ich ihn nicht sehen.«
    Stierna nickte kaum merklich. Schiller roch nach Schnaps, der Kommissar fragte sich, ob das noch vom Abend und der Nacht herrührte, oder ob er schon wieder angefangen hatte.
    Dann sprach er mit den Uniformierten. Bat sie, dafür zu sorgen, dass Harry Schiller zur Kriminalpolizei gebracht wurde. Und auf die Neugierigen hinter der Absperrung zu achten. Um zu sehen, ob jemand sich auffällig verhielt, zu interessiert, irgendwie verdächtig. Mörder kehrten ja oft an den Tatort zurück. Wurden von ihm angezogen wie Nachtfalter vom Lampenschein. Er beauftragte sie, die Personalien aller festzustellen, die sich blicken ließen. Aber vor der Absperrung war es leer. Die Allgemeinheit hatte noch nicht hergefunden, wusste noch nichts. Doch bald würden Menschen sich dort einfinden, das wusste er. Vielleicht würde auch der Mörder wieder herkommen.
    Die Djurgårdswerft, dachte Stierna. Genau gegenüber Beckholmen mit seinen Schiffsdocks.
    Ihm war bekannt, dass die Werft seit fünf Jahren stillgelegt war. Der Grund gehörte der Stadt, doch die kümmerte sich nicht darum, ließ die Gebäude langsam verfallen. Es war menschenleer hier. Ausgestorben.
    Stierna betrat das Gelände über eine große Kiesfläche. Rundherum standen die gelb gestrichenen Werftgebäude. Unten am Wasser befand sich ein langer Schiffsanleger. Eine Felswand grenzte die Werft von den Häusern auf der Straße oberhalb ab. Ein Drahtzaun am Eingang sollte den Zutritt Unbefugter verhindern.
    Ausnahmsweise einmal schien die Sonne. Der Sommer 1928 war ziemlich trübe gewesen. Jetzt war der Herbst gekommen, und mit ihm plötzlich die Wärme, zumindest an diesem Tag.
    Der Amtsarzt kam aus dem Gebäude.
    Die Holztür war kaputt, das Schloss fehlte. Sie stand weit offen. Die Techniker hatten bereits damit begonnen, nach Fingerabdrücken zu suchen – an der Klinke, dem Türblatt und der abgeblätterten Türleiste waren Spuren von Grafitpulver.
    Der Amtsarzt hatte sich Schutzhüllen aus Gummi über die Schuhe gezogen. Stierna nahm an, dass es auf Högstedts Anweisung geschehen war.
    »Doktor Karlström«, setzte Stierna an.
    Der Amtsarzt hob den Blick.
    »Kommissar Stierna«, sagte er. »Die Tote liegt da oben. Högstedt ist schon drinnen, er wartet auf Sie.«
    »Und was können Sie sagen?«
    Der Amtsarzt schaute ihn an. Sein Blick war müde, irgendwie abgestumpft.
    »Es ist kein schöner Anblick. Der Schädel ist an der linken Schläfe eingeschlagen. Es ist viel Blut zu sehen, obwohl sie vermutlich nur ein paar kräftige Schläge abbekommen hat. Aber sie hat noch andere Verletzungen. Am Hals und am Kopf sind Spuren von einem Strick. Es sieht fast so aus, als wäre sie erhängt worden.«
    Stierna sah ihn verwundert an.
    »Aber Sie haben doch gesagt, sie liegt auf dem Boden? Wieso dann … erhängt?«
    Karlström blinzelte mit seinen müden roten Augen. Als ob er sich an das Licht hier draußen erst gewöhnen musste.
    »Da oben liegt nirgendwo ein Strick. Aber die Spuren an ihrem Hals deuten darauf hin … Sie sehen genau wie bei einer Erhängten aus. Also erwürgt wurde sie sicher nicht. Ich habe solche Spuren schon oft gesehen, bei den vielen Selbstmördern, die wir reinkriegen. Aber noch nie bei einem Mord.«
    Noch nie bei einem Mord, wiederholte Stierna stumm in Gedanken.
    »Der Mord ist da drinnen begangen worden?«, fragte er.
    »Ja, da gibt es keinen Zweifel«, antwortete Karlström.
    Der Kommissar ging ein Stück über den Platz.

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