Der Mann im Park: Roman (German Edition)
nicht getraut hatte, Widerstand zu leisten.
Es gab nichts, was auf eine Vergewaltigung hindeutete, das Mädchen hatte keinerlei Verletzungen am Unterleib, aber seine Unterhose war heruntergezogen worden.
Wahrscheinlich hat er es versucht, dachte Stierna. Vielleicht hat er etwas anderes mit ihr gemacht, es gibt viele Varianten.
»Ich glaube, so ist es abgelaufen, auch wenn ich nicht ganz sicher sein kann«, hatte Karlström gesagt.
Dann hatte er noch hinzugefügt: »Wenn es nicht mehr als einer gewesen ist.«
Stiernas Schreibtisch war fast leer. Ein Federmäppchen, eine Schreibmaschine und ein Stapel Papiere.
Er brauchte eine Zigarettenpause, bevor er weiterlesen konnte.
Er stand auf und ging auf den Flur. Es war Freitag, es ging auf zehn Uhr abends zu. Er hatte Bereitschaftsdienst in der Abteilung Gewaltverbrechen, und er wusste, dass viel passieren konnte.
Auf dem Flur war es still, die meisten Räume rundherum waren leer und dunkel.
Stierna holte sein Zigarettenpäckchen heraus, nahm sich eine Zigarette und suchte nach der Streichholzschachtel. Karlströms Worte hallten in seinem Kopf wider: »Wenn es nicht mehr als einer gewesen ist.« Der Gedanke war ihm schon gekommen, als er das letzte Mal mit dem Amtsarzt gesprochen hatte, dass es sich um zwei Täter gehandelt haben könnte. Zwei verschiedene Waffen waren benutzt worden, ein Strick und ein stumpfer Gegenstand. Zwei Waffen, zwei Täter? Die Möglichkeit bestand, aber er zögerte.
Stierna zündete seine Zigarette gar nicht erst an, sondern ging wieder zurück in sein Büro. Er öffnete das Fenster und schaute auf den Park vor dem Polizeigebäude, auf die Agnegatan. Es war dunkel, die wenigen Lampen reichten nicht aus, die breiten Fußwege zu erleuchten. Die hohen Bäume und die üppigen Büsche rundherum verstärkten das Dunkel noch.
An einer Wandtafel hatte Stierna einen großen Stadtplan von Stockholm hängen. Mit Reißnägeln hatte er drei kleine Zettel an verschiedenen Stellen befestigt.
Wohnung, Upplandsgatan 13. I. B. verlässt sie gegen halb neun Uhr abends am 2. September.
I. B. bei Familie Ekström, St. Eriksplan 15, um Hausaufgaben abzuholen. Dort ca. gegen neun, Abend des 2. September. Geht dort ca. eine Viertelstunde später weg, kurz nach neun.
Djurgårdswerft. I. B. wird am 3. September zehn nach fünf Uhr morgens tot von der Polizei aufgefunden.
Er schnitt einen weiteren Zettel aus. Schrieb eine kurze Notiz, dachte, dass er das schon früher hätte tun sollen.
Vasapark. I. B. trifft hier irgendwann im August einen Mann. Er gibt ihr Geld für Glanzbilder. Behauptet, ihren Vater zu kennen.
Nachdem er den Zettel ebenfalls angeheftet hatte, setzte Stierna sich wieder an seinen Schreibtisch und blätterte weiter in den Berichten. Da war etwas mit dem Mageninhalt des Mädchens. Etwas, das nicht stimmte.
Die Chemiker hatten Samen in Ingrid Bengtssons Magen gefunden, Samen und andere Speisereste, die nicht verdaut worden waren. Spuren von dem, was sie als Letztes gegessen hatte. Reste von Erdbeeren. Das Staatliche Chemische Laboratorium ging davon aus, dass sie einige Stunden nach ihrer letzten Mahlzeit gestorben war, auch wenn die Unsicherheit groß war.
Stierna öffnete die oberste Schreibtischschublade und holte einen Stapel Papier heraus. Es waren die Notizen der Vernehmung von Maria Bengtsson vor drei Tagen, mit der Schreibmaschine abgetippt von Axel Jonsson.
Hier stand schwarz auf weiß alles, was die Mutter darüber gesagt hatte, was Ingrid am letzten Tag ihres Lebens gegessen hatte. Frühstück: ein Ei, Brot mit Käse, ein Apfel und ein Glas Milch.
Mittag bei den Großeltern: Frikadellen und Bratwurst, Kartoffelgratin und Salat. Und zum Nachtisch Apfeltorte.
All das war verdaut worden. Aber die Samen nicht. Und die Reste der Erdbeeren, die Ingrid Bengtsson also später gegessen haben musste, vielleicht nur wenige Stunden, bevor sie erschlagen worden war.
Stierna schaute auf seine Uhr. Es war schon spät, aber er musste noch an diesem Abend Gewissheit haben, also griff er zum Hörer.
Eine Frau antwortete nach vier Freizeichen.
»Margareta Ekström.«
Stierna stellte sich vor. Höflich und förmlich. Er hatte nicht den Eindruck, dass die Frau am anderen Ende bereits im Bett gewesen war.
»Es war schon einer von der Polizei bei uns und hat mit uns gesprochen. Irgendetwas mit Hult.«
»Ja, Hultberg, ich weiß, Frau Ekström«, sagte Stierna. »Es geht nur noch um ein kleines Detail.«
Es war still am anderen Ende. Stierna
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