Der Mann im Park: Roman (German Edition)
hatte sie in der Innentasche gehabt und las sie verstohlen.
Thomas, dachte Stierna. Franzéns Name wird auch genannt. Er nahm an, dass Maria Bengtsson mit ihm gesprochen hatte.
Ganz unten stand noch eine kurze Zeile:
Sie, die das Leben doch so liebte.
Als das Begräbnis vorüber war, verließ die Trauergemeinde langsam die Kirche.
Auch Stierna trat an die frische Luft. Er blieb ein wenig abseits und lehnte sich gegen die Steinmauer, die um die Kapelle herum verlief. Es war windig, selbst die alten, hohen Nadelbäume wiegten sich im Wind.
Er hatte sehen wollen, wer alles zu Ingrids Beerdigung kommen würde. Ob sich jemand merkwürdig oder unangemessen verhielt. Ob jemand kam, der hier nicht hingehörte. Aber alles war so verlaufen, wie es hatte sein sollen.
Stierna lockerte seinen dunkelblauen Schlips. Zündete sich eine Zigarette an, die brauchte er jetzt. Er dachte an all die eindringlichen Aufrufe in den letzten Tagen, die Appelle an die Öffentlichkeit, die nichts gebracht hatten. Berner wollte die Presse heute auch wieder um drei Uhr zusammentrommeln, obwohl er eigentlich nichts Neues zu präsentieren hatte. Nur die immer gleiche Bitte. Dass der Mann, den Rikard Dahlin am frühen Morgen des dritten September vor der Djurgårdswerft hatte stehen sehen, sich melden sollte. Dass der Mann, den Ingrid Bengtsson einige Male im Laufe des Sommers im Vasapark getroffen hatte, Kontakt mit der Polizei aufnehmen sollte. Doch bis jetzt hatte niemand von sich hören lassen, niemand hatte angerufen, und niemand hatte ausgesagt, diesen Mann zu kennen.
Die Trauergemeinde ging langsam den breiten Weg auf dem Waldfriedhof entlang. Maria Bengtssons Vater sprach mit dem Pfarrer, Stierna blieb allein zurück. Er ging eine Steintreppe hinunter und durch ein Tor in der Mauer, die um die Waldkapelle führte. Er gelangte auf einen schmaleren Kiesweg, der zwischen den Gräbern verlief. Es war schön hier, ganz abgeschieden von dem riesigen Waldfriedhof. Ruhig.
Der Kiesweg verlief etwa hundert Meter geradeaus und endete vor einer weiteren Steintreppe, die zu einem kleinen, grasbewachsenen Plateau hinaufführte. Dort standen zwei Bänke aus Stein. Das war alles. Es gab keine Büsche, keine Grabsteine. Weiter hinten standen ein paar Bäume.
Ein Mann stand am Rand der Anhöhe. Er trug einen braunen Hut und einen schwarzen Anzug. Stierna stand ziemlich weit von ihm entfernt, und der Hut beschattete das Gesicht des Mannes.
Der Fremde sah zu ihm hinüber, drehte sich dann langsam um und ging auf die Bäume zu, die hinter der Anhöhe wuchsen.
Stierna hatte das Gefühl, als ob etwas nicht stimmte.
»Hallo!«, rief er dem Mann hinterher. »Bleiben Sie stehen!«
Doch der Mann mit dem Hut blieb nicht stehen. Er ging die Anhöhe hinunter. Bald würde Stierna ihn nicht mehr sehen können.
Der Kommissar lief den Weg hinauf und gelangte auf das Plateau. Die Bäume, auf die der Mann mit dem Hut zugegangen war, lagen unter ihm, dahinter verlief ein breiter Weg. Er konnte das riesige Gelände mit den Gräbern auf der anderen Seite des Wegs erkennen.
Stierna ging zu den Bäumen, unter denen der Mann verschwunden war. Von dem breiten Weg aus sah er alles: die Gräber, die Bäume und die Wege. Doch er sah keinen einzigen Menschen.
Der Leichenschmaus wurde bei den Großeltern in Sundbyberg abgehalten. Stierna war auch dort. Er fühlte sich unwohl, gehörte nicht hierher, doch Maria Bengtsson hatte ihn gebeten, auch zu kommen. Niemand sprach besonders viel daheim bei den Großeltern des Mädchens. Der Kaffee war stark, der Kuchen frisch gebacken.
Stierna ging hinaus auf den Hof, um zu rauchen. Maria Bengtssons Eltern wohnten in einem großen Mietshaus bei den Eisenbahngleisen. Er dachte an alles, was er in seiner Kindheit über Sundbyberg gehört hatte. Über die Bierkneipen, die ärmlichen Arbeiterwohnungen, die schmutzigen Straßen, dass der Boden so lehmig war, dass man immer Gummistiefel tragen musste. Aber in Södermalm, wo er selbst aufgewachsen war, war es kaum besser gewesen. Jetzt hatte die Industrie übernommen. Nybergs mechanische Werkstatt, Max Sieverts, Alpha, die Herd- und Knäckebrotfabrik Kronan, AB Marabou. Sie alle befanden sich in Sundbyberg. Alles war ansehnlicher geworden. Aber es war immer noch ein Arbeiterviertel mit großen Problemen. Genau wie Söder.
Stierna zündete sich eine Zigarette an, wie üblich rauchte er Comtesse. Er nahm ein paar tiefe Züge und wünschte sich zum ersten Mal seit Langem an seinen
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