Der Mann im Park: Roman (German Edition)
Erinnern Sie sich daran?«
»Ja.«
»Hat Ingrid auch erzählt, was er gesagt hat? Wie er hieß, wo er wohnte, wie alt er war? Ob er spezielle Freizeitinteressen hatte?«
»Das haben Sie letztes Mal auch schon gefragt.«
»Ich weiß, Fräulein Bengtsson. Ich dachte nur, dass Ihnen inzwischen noch etwas eingefallen sein könnte.«
Maria Bengtsson schüttelte den Kopf.
»Nein. Es scheint, als hätte er Ingrid so einiges gefragt, aber von sich selbst nicht viel erzählt.«
Maria Bengtsson ließ den Blick schweifen. Unten auf den Gleisen fuhr eine Lokomotive vorbei. Stierna dachte, dass es hart sein musste, hier zu wohnen, mit diesem ständigen Eisenbahnlärm.
»Ich meine, sie hat gesagt, er sei reich«, sagte Maria Bengtsson plötzlich.
»Wie kam sie darauf?«
»Sie sagte, er hatte so schöne Kleidung. Sie glaubte, die wäre bestimmt teuer gewesen.«
»Was für Kleidung war das, hat sie das gesagt?«
»Ich weiß nicht mehr … vielleicht ein Anzug.«
Stierna seufzte leise. Inzwischen hatte der Wind aufgefrischt, jetzt fehlte nur noch der Regen. Ein Anzug, dachte er. Das sagt gar nichts. Viele tragen einen Anzug, ob arm oder reich. Aber da war etwas dran an dieser guten Kleidung. Der Mann, den Harry Schiller und Rikard Dahlin an der Djurgårdswerft gesehen hatten, war auch gut gekleidet gewesen.
»Haben Sie irgendeine Ahnung, wer das gewesen sein könnte?«
»Nein«, antwortete Maria Bengtsson.
»Kennen Sie einen der Freunde von Ingrids Vater, Thomas Franzén?«
»Ach, was heißt schon kennen. Ich habe Kontakt mit einer Frau, mit der wir zusammen in der Konditorei gearbeitet haben, Thomas und ich. Sonst sind da nicht so viele. Thomas hatte nicht viele eigene Freunde hier in Stockholm, meistens waren wir mit meinen zusammen.«
»Sie haben keinen Kontakt zu Åke Erlandsson?«
»Erlandsson? Meinen Sie den früheren Nachbarn von Thomas?«
»Ja.«
»Nein, ich habe ihn nicht mehr getroffen, seit Thomas wieder nach Göteborg gezogen ist.«
Stierna kratzte sich am Kinn.
»Ich habe gesehen, dass er auch in der Todesanzeige steht. Ingrids Vater«, sagte er, »aber er war nicht in der Kirche.«
»Nein«, bestätigte Maria Bengtsson. »Ich habe mit ihm gesprochen. Zuerst wollte er kommen, doch dann hat er sich anders entschieden. Hat mir gesagt, er würde das nicht schaffen. Dass er sich schäme und dass er es nicht verdient habe, hier zu sein.«
Stierna klopfte imaginären Staub von seinem Jackenärmel und schob die Krawatte gerade. Er wusste, eigentlich war das nicht nötig, doch er tat es trotzdem. Es war eine dumme Angewohnheit, von der er nicht sagen konnte, wann oder warum er damit angefangen hatte.
»Hat Ingrid erzählt, wie oft sie diesen Mann im Park getroffen hat?«
Maria Bengtsson schaute ihn an.
»Einmal, glaube ich. Nicht öfter. Ich habe ihr ja gesagt, sie soll vorsichtig sein bei Männern, die sie nicht kennt. Und ihr verboten, stehen zu bleiben und mit ihnen zu reden.«
»Es sieht aber so aus, als hätte sie ihn öfter getroffen«, sagte Stierna.
Maria Bengtssons Blick hatte etwas Durchdringendes, als wäre ihre Müdigkeit plötzlich verflogen.
»Kriegt ihr ihn?«, fragte sie.
»Ja, wir kriegen ihn.«
»Versprechen Sie mir das?«
Seine Antwort kam prompt, ohne nachzudenken, erwiderte er: »Ich verspreche Ihnen, wir werden ihn fassen.«
*
Er war noch auf dem Waldfriedhof geblieben, noch mehrere Stunden nach der Beerdigung. War zwischen den Grabsteinen entlanggegangen. Er war groß, der Friedhof. Riesig.
Er konnte selbst nicht sagen, warum es ihn zu Ingrids Beerdigung gezogen hatte, aber er war hingegangen. Hatte das Gefühl gehabt, hingehen zu müssen. Als er die kleine Anzeige in der Zeitung gesehen hatte, war ihm klar, dass er keine andere Wahl hatte. Er musste hingehen.
Sicher, er hatte sich nicht in die Kapelle getraut, das wäre verrückt gewesen. Sie hätten sich gewundert, was er dort zu suchen hatte. Aber er wollte sie aus der Ferne sehen, die Eltern, die Verwandten. Auf irgendeine Art und Weise spürte er ein Mitgefühl mit ihnen.
Er hatte geglaubt, alles wäre ruhig, alles wäre vorbei und er wäre in Sicherheit, als ein Mann auf dem Friedhof hinter ihm herrief. Dabei hatte er doch so weit entfernt gestanden, und die Trauergemeinde hatte schon begonnen sich zu verabschieden. Aber nicht der Mann mit der dunklen Krawatte. Kein schwarzer, nur ein dunkler Schlips, also konnte er nicht zum engsten Familienkreis gehören.
Erst hatte er überlegt, einfach stehen zu bleiben und
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