Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pontus Ljunghill
Vom Netzwerk:
Schreibtisch in der Abteilung für Gewaltverbrechen zurück. Das lag an dieser Beerdigung, er wusste nie, wie er sich bei so einem Anlass verhalten sollte.
    Die Ermittlungen traten auf der Stelle. Lundby hatte Taxifahrer befragt, um zu erfahren, ob einer von ihnen in der Nacht vom zweiten auf den dritten September eine Fahrt nach Djurgårdsstaden gehabt hatte. Und auch am Abend des zweiten. Lundby hatte zwei Fahrten gefunden. Eine mit einem älteren Paar, eine mit einer jungen Frau, beide ziemlich früh am Abend. Keiner der Taxifahrer konnte sich daran erinnern, einen Mann und ein kleines Mädchen zur Djurgårdswerft gefahren zu haben. Und daran würden sie sich bestimmt erinnern, das wusste Stierna.
    Die Nachforschungen bei registrierten Kinderschändern und Gewalttätern waren eine Enttäuschung gewesen. Stierna dachte an all die Verbrecher, die sie überprüft hatten. An ihre Berufsbezeichnungen. Ärzte, Hausmeister, Chauffeure, Kaufleute. Sie kamen aus allen Schichten der Gesellschaft. Das machte ihm Angst.
    Maria Bengtsson trat auch ins Freie. Sie war allein, und ihm fiel auf, wie schön sie in ihrem schwarzen Kleid aussah. Er registrierte, dass die Schminke um ihre Augen verlaufen war. Sie hatte geweint.
    Maria Bengtsson stellte sich neben ihn, zog eine Schachtel Zigaretten und ein Mundstück heraus. Das war das erste Mal, dass er sie rauchen sah.
    »Früher habe ich so gut wie nie geraucht«, sagte sie gedankenverloren. »Doch seit Ingrids Tod rauche ich mehr. Ich weiß nicht, warum, eigentlich schmeckt es mir gar nicht.«
    Er betrachtete seine Zigarette, bevor er an ihr zog.
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte er. »Ist es inzwischen besser …«
    Er verstummte, weil er merkte, wie plump das klang. Unmittelbar nach der Beerdigung.
    Maria Bengtsson schaute ihn einige Sekunden lang an. Sie suchte nach Worten. Vielleicht hatte sie doch auf Doktor Johansson gehört, dachte Stierna, und hat Beruhigungstabletten genommen. Um den Schmerz zu betäuben.
    »Die ersten Tage mochte ich keinen Menschen sehen«, antwortete Maria Bengtsson. »Ich konnte kein Gesicht erkennen. Nicht Ihres, Herr Kommissar, nicht das des Arztes, als Sie bei mir waren, um mir das Schlimmste mitzuteilen, was man nur mitteilen kann. Alles war wie in einem Nebel, teilweise fiel es mir sogar schwer, Trauer zu empfinden. Und im Leichenschauhaus war es genauso. Es fiel mir schwer, die Umgebung wahrzunehmen, ich weiß, dass Sie auch dort waren, aber andererseits … Und dann habe ich natürlich Ingrid gesehen.«
    Er nickte schweigend. Ließ sie reden, wenn ihr das guttat.
    »Nach einer Woche wurde dann alles langsam klarer, die Gesichter um mich herum deutlicher. Und gestern sah ich plötzlich alles in einem anderen Licht, da wurde mir zum ersten Mal wirklich klar, dass sie für alle Zeit fort ist. Alles war so klar, trotz der Tabletten … Nach einer Weile konnte ich den Schmerz nicht ertragen, da mussten die Tabletten her. Obwohl ich zunächst abgelehnt hatte. Aber ich hatte das Gefühl, alles wäre zu Ende. Dieses Gefühl, das wünsche ich meinen ärgsten Feinden nicht. Vielleicht nicht einmal dem, der das gemacht hat.«
    »Aber Sie hassen ihn doch sicher, oder?«
    »Ich will, dass er stirbt. Er verdient es zu sterben. Hassen Sie ihn nicht auch?«
    »Ich weiß nicht. Ich arbeite an dem Fall.«
    »Aber haben Sie nie Hass empfunden? Bei Ihrer Arbeit?«
    »Doch, auch ich habe schon Hass empfunden.«
    »Und, fühlen Sie ihn jetzt auch?«
    Stierna warf die Zigarette auf den Boden und trat die Glut mit dem linken Schuh aus.
    »Das kommt vor.«
    Eine Weile standen sie schweigend da. Er begegnete ihrem Blick. Sie schien abwesend zu sein, müde, wie gelähmt von ihrer Trauer. Oder von der Wirkung der Tabletten.
    »Wir haben eine Kopie von Ingrids Kettenanhänger machen lassen«, sagte er schließlich. »Nach Ihrer Beschreibung. Ich habe ihn dabei. Sind Sie in der Lage, ihn sich anzusehen?«
    Maria Bengtsson nickte.
    Stierna holte das Schmuckstück aus seiner linken Jackentasche hervor. Es war wirklich gut gemacht.
    »Hat er ungefähr so ausgesehen?«, fragte er.
    »Ja«, bestätigte Maria Bengtsson. »Der sieht so aus. Genau, wie ich ihn in Erinnerung habe.«
    Stierna steckte den Anhänger wieder in die Tasche.
    »Da ist noch etwas, wo ich noch einmal nachhaken möchte«, sagte er. »Als wir mit Ihnen gesprochen haben, nachdem wir Ingrid gefunden hatten, haben Sie uns erzählt, dass Ingrid von einem Mann berichtet hat, den sie im Vasapark getroffen hat.

Weitere Kostenlose Bücher