Der Mann im Park: Roman (German Edition)
ihrer Chefin, Frau Olsson, einen halben Tag freibekommen.
Sie hatte sich in dem Geschäft umgezogen und war in das helle Ballkleid geschlüpft, das sie gekauft hatte, als sie zu Roland Lindbergs Hochzeit eingeladen gewesen waren. Es kam ihr so vor, als läge das eine Ewigkeit zurück. Dann hatte sie den dunklen Mantel übergezogen, die Boa umgelegt und den runden Hut mit der Feder aufgesetzt und war zu Fuß Richtung Zentrum gegangen. In dem Warenhaus »Kompaniet« war sie in der Parfümerie und der Bettenabteilung gewesen. Hatte sich die Angebote in der Spielwarenabteilung angeschaut.
Sie hatten keine Kinder, John und sie. Eigentlich hätten sie welche haben sollen. Sie hatten nie verhütet, auch nicht, als sie verlobt waren.
Außerdem war sie in der Markthalle am Hötorget gewesen. War an den Ständen im Freien entlanggegangen. Hatte zwei schmutzigen kleinen Jungs Münzen gegeben, die in der Kungsgatan mit ihren Mützen bettelten.
Dann hatte sie das »Horn« betreten. Hatte sich etwas zu trinken bestellt, während sie wartete, und sich umgeschaut. Sie hatte große Lust auf ein Glas Wein, wusste aber, dass das nicht möglich war. Eine Frau konnte nicht allein in einem Restaurant sitzen und Wein trinken. Auch wenn sie dem Kellner erklärte, dass sie auf ihren Mann wartete. Damit klar war, dass sie eine anständige Frau war.
Es hatte sicher eine Viertelstunde gedauert, bis sie begriff, wer am Nebentisch saß. Ernst Rolf mit Begleitung, noch ein Herr und zwei Damen. Der Revuekönig. Sie war sich nicht ganz sicher, aber das musste er sein. Der hohe Zylinder lag neben ihm auf dem Plüschsofa, mit Mantel und Spazierstock. Das dunkle, ordentlich gekämmte Haar, dieses Lächeln, bei dem er die weißen Zähne zeigte.
Verstohlen musterte sie seine Begleitung. Und Ernst Rolf selbst.
Es schien, als säßen die Herrschaften schon seit längerer Zeit hier, sie waren bereits bei Kaffee und Cognac angelangt.
Ernst Rolf redete viel, aber sie konnte nicht verstehen, was er sagte. Trotz seiner scheinbar lockeren Art lag eine gewisse Schwermut auf ihm, fast etwas Depressives.
Zu Hause in der Parmmätargatan hatten sie eine seiner Platten. »Bättre och bättre dag för dag«, besser, immer besser, Tag für Tag, eingespielt bei Odeon. Doch ein anderes Lied kam ihr in den Sinn. »Jag är ute när gumman min är inne«, ich gehe aus, meine Freundin bleibt zu Haus. Irgendwie spiegelte diese Zeile so gut ihre Situation wider, Johns und ihre. In ihrer ganzen brutalen Einfachheit.
Sie sahen sich so selten. Manches Mal fühlte sie sich so unbedeutend, als wäre der Krieg, den er jeden Tag führte, in der Abteilung für Gewaltverbrechen, um so vieles wichtiger als sie. Sie hatte Mitleid mit dem Mädchen, Ingrid, doch das Mädchen war tot, und sie, sie lebte.
»Ich gehe aus, meine Freundin bleibt zu Haus.« Sie erinnerte sich an die Fortsetzung: »So ist das Leben kurz gefasst, doch unsere Liebe wird dennoch nie enden.«
Ja, das Gefühl hatte sie gehabt, als sie sich kennenlernten, dass ihre Liebe nie enden würde. Jetzt war sie sich dessen nicht mehr so sicher. Diese Frage kam ihr immer wieder in den Sinn, erschreckte sie, aber sie konnte sich dagegen nicht wehren. Vielleicht geschah gerade etwas mit ihr. Etwas Unwiederbringliches.
Karolina trank von ihrer Limonade. Sie wollte ihm eine Chance geben, schließlich war er die Liebe ihres Lebens.
Ernst Rolf und seine Begleitung zahlten und traten in den Stockholmer Abend hinaus.
*
Karolina saß bereits an einem Tisch, als er durch die Tür trat. Für einen Montagabend war das Lokal ziemlich gut besucht. Die meisten Tische waren belegt, an zweien saßen Herren im Frack und Damen in Abendgarderobe. Stierna nahm an, dass sie auch Bergmans Stück »Gesindel« sehen wollten.
Der Kommissar hängte Mantel und Hut an die Garderobe. Das kleine Päckchen schob er in die Fracktasche. Er hatte während der Mittagspause ein Geschenk für Karolina gekauft, war schnell in einen kleinen Laden am Kungsholmstorg geeilt. Der Laden bot alles Mögliche an, und alles hatte irgendwie Klasse, von Telleruntersetzern über Federtaschen bis zu Kerzenhaltern.
Sie hatte nicht Geburtstag, ihr Namenstag war schon gewesen, eigentlich gab es nichts Besonderes zu feiern. Dennoch hatte er ihr etwas kaufen wollen. Er nahm an, dass das an seinem schlechten Gewissen lag. Heute Abend sollte es nur sie und ihn geben.
Stierna setzte sich ihr gegenüber.
»John.«
»Karolina.«
»Wollen wir bestellen? Wir haben noch
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