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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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wurden.
    Sie schüttelte den Kopf, aber nicht als Antwort auf meine Frage. »Er war so ein kleiner Mann«, sagte sie.

    Perlini war nur etwa ein Meter siebzig groß und klapperdürr gewesen. Ihre Bemerkung traf also zu, aber ich war mir nicht über ihre Bedeutung im Klaren. Oder vielleicht bestand das Problem auch darin, dass ich mir im Klaren war.
    »Zu klein?«, fragte ich.
    Meine Frage schien sie aus ihren Erinnerungen zu reißen. Eine ganze Weile lang schwieg sie. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich diese süße alte Dame an jene Zeit erinnert hatte, aber noch schlechter fühlte ich mich damit, soeben ihren Gedankenfluss unterbrochen zu haben. Schließlich blickte sie mich an. »Ich bilde mir nicht ein, dass mein Gedächtnis noch zuverlässig funktioniert«, sagte sie. »Ein Mann... eine Gestalt... die sehr schnell rennt. Ich kann mich kaum noch darauf besinnen, was ich gesehen habe.«
    Ich nickte. Sich wirklich genau zu erinnern, ist ziemlich vertrackt, viel schwieriger, als die meisten Menschen denken. Das Problem besteht nicht darin, sich in die Situation zurückzuversetzen, sondern darin, dass das Erinnerte oft nicht mehr dem entspricht, was man tatsächlich beobachtet hat.
    »Aber Sie erinnern sich an das, was Sie gefühlt haben«, sagte ich.
    Sie nickte ernst.
    Nicht zweifelsfrei identifiziert. »Was haben Sie der Polizei erzählt, Mrs Thomas?«
    »Ach, Jason.« Mit einiger Mühe überkreuzte sie die Beine und wandte sich ein wenig von mir ab, eine klassische Abwehrhaltung. »Der Mann rannte so schnell und er war... er war...«
    Sie beugte sich ein wenig nach vorn. Sie wollte nicht mit der entsetzlichen Wahrheit herausrücken, dass er die kleine Audrey in den Armen gehalten hatte, aber ich verstand sie auch so.
»Er rannte sehr schnell, und er war vornübergebeugt«, vervollständigte ich den Satz.
    »Es war sehr schwer für mich, etwas Genaues zu erkennen.«
    Schon klar. Aber sie hatte meine Frage noch nicht beantwortet. »Bitte verraten Sie mir, was Sie damals der Polizei gesagt haben.«
    Mrs Thomas richtete sich wieder auf und blickte mit stoischer Miene aus dem Fenster ihres Apartments. »Bitte sagen Sie Peter, dass ich ihn gerne einmal wieder sehen würde, Jason. Und nehmen Sie etwas von dem Kuchen hier mit. Ich schaffe das niemals alles alleine.«

16
    Detective Brady führt dich zu dem Raum, in dem sie Sammy festhalten. Als du eintrittst, hockt er auf einem Stuhl, mit Handschellen gefesselt, den Kopf tief gesenkt.
    Hey sagst du und versuchst aufmunternd zu klingen.
    Er schüttelt den Kopf.
    Hey, wiederholst du.
    Halt dich aus der Sache raus, Koke.
    Aber wir... wir stecken doch beide...
    Was soll’s? Er nickt in deine Richtung. Besser ich als du. Du hast diese Footballkiste am Laufen. Was hab ich schon groß zu verlieren?
    Es trifft dich hart, dass Sammy sich plötzlich von dir distanziert.

    Du hast doch mich, erwiderst du.
    Tränen quellen aus seinen Augen, aber er schüttelt den Kopf. Geh, sagt er heiser.
    Du kannst es nicht leugen, ein Gefühl der Erleichterung beschleicht dich, und damit einhergehend ein tiefes Schamgefühl. Du willst nicht verhaftet werden. Du willst mit heiler Haut aus der Sache rauskommen.
    Geh schon!, ruft er. Er hält den Blick immer noch gesenkt, aber du siehst ganz deutlich den brennenden Schmerz in seinen Augen.
    Der Cop betritt den Raum und packt dich am Arm. Sammy lässt den Kopf wieder auf die Brust sinken. Komm jetzt, knurrt der Detective. Du drehst dich ein letztes Mal um, als die Tür sich hinter dir schließt, und siehst, wie Sammys Blick dir folgt.
     
    Auf dem Nach Hauseweg machte ich Zwischenstation in einem Pub, um dort zu Abend zu essen. Die Restaurants im näheren Umkreis meines Hauses waren vermutlich die Einzigen, die vom Tod meiner Frau und meiner Tochter profitierten. Ich war noch nie ein großer Koch gewesen, daher gab es jetzt fast jeden Abend Dinner vom Lieferservice oder im Lokal. An diesem Abend verdrückte ich einen Cheeseburger und studierte dabei die Zeitung. Irgendwann rief ich Pete an, aber er ging nicht ran. Fünf Minuten später erhielt ich eine SMS von ihm: Keine Moralpredigten.
    Er war immer noch sauer, was bedeutete, ich war auf der richtigen Spur. Ganz offensichtlich versuchte er sich einzureden, Drogen seien nichts als ein harmloser Partyspaß. Er ignorierte die drohende Suchtgefahr, von den Risiken, die mit jedem einzelnen Konsum verbunden waren, einmal ganz abgesehen.

    Es hatte Pete sicher nicht geholfen, dass er in einem

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