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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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ein: Ich hab bisher noch nicht die Richtige gefunden. Ich wollte sie nicht mit meinem Unglück belasten, besonders, da ich vorhatte, eine weitere Tragödie aufs Tapet zu bringen. Und prompt gab sie mir das Stichwort, denn sie erkundigte sich nach Sammy. So alt sie auch sein mochte, ihre Augen hinter der Zweistärkenbrille waren immer noch hellwach, und sie merkte sofort, dass sie mit ihrer Frage etwas Dunkles und Ungutes berührt hatte.
    Sie lauschte aufmerksam, und mit jedem neuen Kapitel wurde ihr Gesicht trauriger, und sie schnappte bei jeder dramatischen Wendung leise nach Luft. Es ist nie schön, von einem Mord zu erfahren, selbst wenn es einen Kinderschänder wie Griffin Perlini erwischt. Und es verschlimmert die Sache noch, wenn man erfährt, dass ein netter, wenn auch etwas problematischer Junge aus der Nachbarschaft den Abzug gedrückt hat.
    »Oje.« Ihre zerbrechliche Gestalt schien zusammenzuschrumpfen, als wolle sie sich vor den Erinnerungen an das schreckliche Schicksal der kleinen Audrey Cutler schützen. »Weißt du, Jason, ich bete jeden Tag um Vergebung dafür, dass ich damals nichts unternommen habe. Dass ich dem Mann
nicht hinterhergerufen oder gleich deine Mutter oder Mary verständigt habe.«
    »Sie konnten doch unmöglich etwas ahnen.« Unser Gespräch ähnelte auf merkwürdige Weise dem mit Tommy Butcher - Wegrennen war kein Verbrechen. Und mehr hatte sie in dieser Nacht nicht beobachtet.
    Mrs Thomas kaute auf den Fingernägeln, und ihr gepeinigter Gesichtsausdruck verriet mir, dass sie die schrecklichen Ereignisse noch einmal durchlebte. »Wenn ich mir nur sicher gewesen wäre«, sagte sie. »Aber ich konnte mir nicht sicher sein. Der Herr möge mir vergeben, aber ich kann nicht einfach etwas behaupten, wenn ich nicht ganz sicher bin.«
    Sie sprach von der Gegenüberstellung. Als einzige Augenzeugin der Entführung war Mrs Thomas gebeten worden, Griffin Perlini zu identifizieren. Und ganz offensichtlich war sie dazu nicht in der Lage gewesen, sonst hätte man Griffin Perlini den Prozess gemacht. Ihr musste es so vorgekommen sein, als hätte sie die Cutlers damals ein zweites Mal verraten.
    »Es muss fast unmöglich für Sie gewesen sein, ihn zu identifizieren«, tröstete ich sie. Nach meinem gestrigen Besuch in unserem Viertel ging ich davon aus, dass Mrs Thomas jemanden hatte davonrennen sehen, der ihr den Rücken zuwandte, in über fünfzig Metern Entfernung und mitten in der Nacht.
    Die Kopien der Akten von Audreys Entführung waren inzwischen eingetroffen. Bisher war ich noch nicht dazu gekommen, sie zu studieren. Lediglich die Akte von Mrs Thomas hatte ich überflogen, um mich über ihre bisherigen Aussagen zu informieren. Unter diesen Dokumenten befand sich auch ein Protokoll der Gegenüberstellung, in dem vermerkt war, dass Mrs Thomas den mutmaßlichen Entführer Griffin Perlini »nicht zweifelsfrei identifizieren« konnte.

    Aus meiner Zeit als Ankläger und auch als Strafverteidiger wusste ich, dass die Cops sich bei ihrer Darstellung der Ereignisse oft gewisse dichterische Freiheiten erlaubten. So ließ nicht zweifelsfrei identifizieren Platz für ein weites Spektrum an Auslegungen.
    »Können Sie mir erzählen, was damals passiert ist?«, fragte ich. »Bei der polizeilichen Gegenüberstellung?«
    Mrs Thomas schlang den Pullover, der über ihren Schultern lag, fester um sich, als wollte sie sich vor der Kälte schützen, in einem Raum, der alles andere als unterkühlt war.
    »Ich weiß, es ist schwer, sich daran zu erinnern...«
    Sie schoss einen Blick auf mich ab, und die Flinkheit ihrer Augen überraschte mich. »O Jason. Es ist nicht schwer, sich daran zu erinnern. Nein, ganz im Gegenteil.«
    Was sie mir berichtete, entsprach in etwa meinen Erwartungen. Ein Staatsanwalt und Griffin Perlinis Anwalt, ein paar Cops und Mrs Thomas hatten durch das Fenster auf sechs Männer weißer Hautfarbe gestarrt, die Karten mit Nummern hochhielten. »Ich hab ihnen gesagt, ich wüsste es nicht«, murmelte sie. »Ich war mir einfach nicht sicher. Er war die Nummer zwei.«
    »Griffin Perlini war die Nummer zwei.« Ich konnte nur vermuten, wie sie darauf gekommen war. Vermutlich hatte Detective Carruthers mit zwei Fingern über seine Wange gekratzt oder die Arme verschränkt und ihr ein zweifingriges V auf seinem Bizeps gezeigt - irgendetwas, dass der Aufmerksamkeit von Perlinis Anwalt entgangen war. Staatsanwälte machten sich häufig keine Vorstellung davon, wie trickreich Zeugen manipuliert

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