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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Sammys Prozess zu gewinnen. Dafür musste ich schon selbst sorgen.
    Griffin Perlini war verurteilt worden, im Sommer 1988 zwei kleine Mädchen sexuell missbraucht zu haben, und hatte für diese Straftaten bis 2005 im Zuchthaus gesessen. Die Mädchen hatten an einer Sommerfreizeit teilgenommen, veranstaltet vom Park District der Stadt. Die Familien der Kinder stammten aus einem Viertel in der Southside. Meinen Unterlagen zufolge lebte eine der Familien noch im gleichen Haus wie damals, die andere war in eine Vorstadtsiedlung in der Nähe gezogen.
    Ich begann mit den Leuten, die nicht umgezogen waren. Robert und Sarah Drury wohnten in einem bescheidenen Einfamilienhaus in einer sauberen und gepflegten Mittelklasse-Nachbarschaft. Der Abend dämmerte bereits, als ich vor dem Haus bremste, und die Temperaturen waren jäh in den Keller gestürzt, was Schnee versprach. Die kalte und frühe Dunkelheit des Winters bildete den angemessenen Hintergrund für diesen Besuch. Ich würde mit diesen Menschen über den Mann reden, der vor fast zwanzig Jahren ihre Tochter missbraucht hatte.
    Robert kam in Strickjacke, Khakihosen und Slippern an die Tür. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass dieser Mann um die fünfzig eher einen Wohltätigkeitsbasar in seiner Kirchengemeinde veranstalten würde, als einen Pädophilen umzubringen. Andererseits, ich hatte schon viele ausgesprochen harmlos wirkende Menschen angeklagt, die vergewaltigt und gemordet hatten.

    Er bat mich herein und stellte mir seine Frau vor, die ein wenig jünger sein mochte, aber etwas übergewichtig und schon leicht ergraut war. Sie wussten nicht, warum ich hier war. Ich hatte ihnen lediglich erzählt, ich sei Anwalt.
    Normalerweise vertraue ich meinem Instinkt und dem ersten Eindruck, daher hatte ich geplant, diese Menschen von Angesicht zu Angesicht über Griffin Perlinis Tod zu informieren und ihre Reaktion darauf zu beobachten. Doch die Berichterstattung über die Leichenfunde hinter der Hardigan-Grundschule hatten mich meines Eröffnungssatzes beraubt. Ohne Zweifel waren sie bereits über alles im Bilde.
    »Ich vertrete Sammy Cutler«, begann ich.
    Innerhalb von Sekundenbruchteilen verhärtete sich Roberts freundliche Miene. Er hob das Kinn. »Ja, und?«
    Sarah blickte zu ihrem Ehemann und dann zu mir. »Wie geht es ihm?«
    »So gut, wie es jemandem gehen kann, dem eine lebenslängliche Haftstrafe droht.« Ich ließ meinen Blick zwischen ihnen hin und her wandern. »Kennen Sie Sammy?«
    »Wir haben kurz miteinander gesprochen«, erwiderte Robert. »Vor Prozessbeginn.« Er meinte Perlinis Prozess wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter. »Wir hatten von seiner Schwester gehört, und... ich weiß nicht, warum, aber wir wollten ihn treffen.«
    Das war nicht ungewöhnlich. Opfer desselben Serientäters schlossen sich häufig zusammen.
    »Möchten Sie, dass wir vor Gericht aussagen?«, fragte Sarah.
    Das war nicht der Grund für mein Kommen. Vielmehr ließ ich die beiden gerade heimlich für die Rolle von Griffin Perlinis Mörder vorsprechen, den ich der Jury als Alternative präsentieren wollte. Bisher empfahlen sie sich jedoch nur als
nettes Elternpaar für eine Fernsehserie aus den 50ern. Ich hatte fast den Eindruck, die Titelmelodie von Erwachsen müsste man sein im Hintergrund zu hören.
    »Ich suche nach ausführlicheren Informationen«, erklärte ich. »Ich möchte mir einen umfassenden Gesamteindruck verschaffen.«
    Die Augen des Ehemanns wurden schmal. »Char war fünf, als es passiert ist«, sagte er. »Sie war zutiefst verängstigt und verwirrt, während es geschah. Sie dachte, sie täte etwas Böses. Später, nachdem wir herausgefunden hatten, was vorgefallen war, und der Mann verhaftet wurde, wurde Char gereizt und neigte zu Wutausbrüchen. Aber inzwischen hat sie sich zu einer sehr ehrgeizigen und erfolgreichen jungen Frau entwickelt. Ob sie immer noch unter Angstzuständen leidet wegen des Vorfalls? Schon möglich. Aber sie hat es hinter sich gelassen. Bald wird sie ihren Abschluss an der Oregon State machen.«
    »Das ist großartig.«
    »Wir haben es ebenfalls hinter uns gelassen«, fuhr Robert bestimmt fort. »Und wir ziehen es vor, dass das auch so bleibt. Aber wenn wir aussagen müssen, um Sammy Cutler zu helfen, dann werden wir das tun.«
    »Hatten Sie nach seiner Verhaftung jemals Kontakt zu Griffin Perlini?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Haben Sie 2005 bei Griffin Perlinis Bewährungsanhörung ausgesagt?«
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf.

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