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Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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zusammen?
    »Hey«, sagte er.
    Ich blickte zu ihm auf.
    »Warum wollen Sie wissen, ob ich bei der Bewährungsanhörung ausgesagt habe?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Ich verschaffe mir lediglich einen Überblick über das gesamte Terrain.«
    »Klingt wie ein Satz, den ein Anwalt sagt, wenn er sich um eine Antwort drücken will. Das Terrain.« Er beugte sich zu mir rüber. »Stellen Sie Nachforschungen über mich an?«
    »Sollte ich das?« Ich liebe diese Frage. Sie lenkt jedes Gespräch geschickt in eine andere Richtung. Jetzt stellte ich ihn zur Rede.

    Er kniff die Augen zusammen. Er hatte ein ziemlich gutes Pokerface. Es offenbarte so gut wie nichts. Ich nahm an, dass er seine Optionen durchging. Er konnte mich auffordern, mich zu verpissen, und mich dann vor die Tür setzen, aber er war clever genug, um zu wissen, dass dadurch meine Neugier nur noch weiter angestachelt würde. Eher schon würde er den Weg einschlagen, den fast alle Menschen nutzen, wenn sie sich in die Ecke gedrängt fühlen - er würde sich rauszureden versuchen. Eine Option, die ich als Ankläger immer sehr begrüßt hatte, von der ich als Strafanwalt jedoch dringend abriet. Es ist ein natürlicher Impuls, sich zu rechtfertigen, aber leider redet man sich dabei nur allzu oft um Kopf und Kragen.
    All dies deutete darauf hin, dass Archie Novotny etwas zu verbergen hatte. Und je länger er mich durch seine engen Augenschlitze anstarrte, desto mehr bekam ich das Gefühl, dass ich hier auf etwas gestoßen war.
    »Ich hatte eine Gitarrenstunde an diesem Abend«, erklärte er schließlich. »Seit drei Jahren gehe ich jeden Donerstagabend zum Gitarrenunterricht.« Er nickte bekräftigend. »Ich habe Gitarre gespielt.«
    Bemerkenswert, dass er gleich ein Alibi bei der Hand hatte. Ich wollte nachhaken. Und ich wollte es auf lockere, beiläufige Weise tun. Aber so was geht meistens in die Hose. Gerade wenn man sich bemüht, besonders unbeteiligt zu erscheinen, betont man damit nur die Bedeutung der Frage. Ich musste mehr über dieses Alibi erfahren, aber es war unmöglich, das auf unverfängliche Art zu tun.
    Ich bereute sofort, keinen Zeugen mitgebracht zu haben, jemanden, der den Inhalt dieser Unterredung vor Gericht bestätigen konnte. Denn natürlich konnte ich nicht selbst aussagen,
da ich in diesem Prozess als Anwalt fungierte, und es war ein Riesenversäumnis meinerseits, nicht Joel Lightner oder jemand anderen mitgebracht zu haben. Ich hatte mich so darauf konzentriert, mein Büro zu verlassen, ohne von Smiths Leuten gesehen zu werden, dass ich nicht an diese elementare Vorkehrung gedacht hatte. Was mich erneut daran erinnerte, dass ich mich nicht in »Topform« befand und heillos damit überfordert war, einen Kindheitsfreund von einer Mordanklage zu entlasten. Die ersten Symptome einer Panikattacke machten sich bemerkbar. Ich spürte einen heftigen Druck auf der Brust, meine Kehle war wie zugeschnürt. Doch an diesem Punkt gab es kein Zurück mehr. Ich musste die Sache durchziehen und alles auf eine Karte setzen. Ich atmete tief durch und riss mich zusammen.
    »Wer hat gesagt, dass Griffin Perlini an einem Donnerstag ermordet wurde, Archie?«
    Er lehnte sich zurück. »Stimmt das etwa nicht?«
    Doch, es stimmte. Der 21. September 2006 war ein Donnerstag gewesen. Aber woher wusste er das?
    »Ich hab es irgendwo gehört«, erklärte er vage.
    »Wann haben Sie davon gehört?«, hakte ich nach. »Wie haben Sie es erfahren?«
    »Keine Ahnung mehr.« Er zuckte mit den Achseln. »Verdammt, ich hab es einfach gehört, das ist alles.«
    Bei einer Rateshow wäre jetzt der Summer ertönt. An die meisten Dinge, die in ihrem Leben passieren, können Menschen sich nicht detailliert erinnern, selbst wenn es erst letzte Woche gewesen ist, aber üblicherweise wissen sie noch genau, wo sie sich aufgehalten haben, als sie von besonderen Ereignissen erfuhren. So konnte ich mich exakt daran erinnern, wo ich war, als Präsident Reagan angeschossen wurde oder als meine
Mutter einen Schlaganfall hatte oder als das zweite Flugzeug ins World Trade Center einschlug.
    Und Griffin Perlinis Tod musste für Archie Novotny annähernd so bedeutsam gewesen sein wie 9/11.
    Ich versuchte, mich zu beherrschen. Wegen genau dieses Frage- und Antwortspiels war ich gekommen, aber mir wurde bewusst, dass ich dennoch nicht mit dieser Möglichkeit gerechnet hatte. Sammy hatte mich nie aufgefordert, an seine Unschuld zu glauben. Vielmehr hatten all seine Äußerungen auf seine Schuld

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