Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann im Schatten - Thriller

Der Mann im Schatten - Thriller

Titel: Der Mann im Schatten - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
Zeit verschwinden würde. Verschwinden war nicht das richtige Wort. Nachlassen erschien mir treffender. Er würde
sich nur irgendwo verkriechen, um beim geringsten Anlass aus seinem Loch zu schießen.
    Ich hatte Talia geliebt. Ich vermisste sie so sehr, dass es mir körperliche Schmerzen bereitete. Nie wieder würde ich sie in den Armen halten, auch nicht den Bruchteil einer Sekunde, nie wieder würde ihr Haar mein Gesicht kitzeln, das Parfüm hinter ihren Ohren in meine Nase steigen, nie wieder würde sie skeptisch das Gesicht verziehen, wenn ich einen meiner abgedroschenen Witze vom Stapel ließ. Wanting her, needing her, longing for her. Es würde nachlassen, ja. Der Schmerz würde abebben. Das Leben würde weitergehen, und manchmal wäre es sogar wieder gut - das war mir auch klar. Aber es würde nie mehr so gut, wie es hätte sein können. Es würde immer nur ein kleiner Teil des möglichen Lebens sein, nie das ganze Paket. Es würde immer eine Einschränkung geben. Guter Sportler, guter Anwalt, guter Mensch - aber nachdem diese Tragödie mit seiner Frau und seiner Tochter passierte, ist er nie wieder richtig auf die Beine gekommen.
    Pete hielt fünf Frauen bei Laune, die in einer Nische saßen, nahe bei dem Bereich, den man wohl als Tanzfläche bezeichnen konnte, denn dort hopsten die Leute auf und ab wie Kängurus auf Morphium. Die Frauen waren zugegebenermaßen attraktiv, in der für diese Nachtclubs üblichen aufgedonnerten Art. Pete schien bereits gewisse Fortschritte erzielt zu haben, als er sich entschuldigte und aufstand. Er steuerte ganz offensichtlich die Toilette an, und ich überlegte, ob ich einschreiten sollte. Ich wollte ihn nach Drogen durchsuchen, ihm aufs Klo folgen, verhindern, dass er einen Drogendeal durchzog, während ich ihm den Rücken zukehrte. Aber ich tat nichts dergleichen, denn er amüsierte sich, und dabei brauchte ich ihm nicht in die Quere zu kommen.

    Aber nachdem zehn Minuten vergangen waren, und mein Bruder immer noch nicht auftauchte, verspürte ich plötzlich den Drang, nach dem Rechten zu sehen. Zunehmende Panik kroch in mir hoch, ich eilte zum hinteren Teil der Bar und beschleunigte meine Schritte auf den Stufen hinab ins Untergeschoss.
    »Wahrscheinlich eine Schlägerei oder so was«, sagte eine Frau zu ihrer Freundin, während sie die Treppen von der Toilette hochstiegen.
    »Waren es Rausschmeißer?«
    »Keine Ahnung.«
    Ich stürzte auf die Toilette zu. »Pete«, rief ich, als ich die Tür aufstieß. Ich blickte auf zwei leere Urinale und eine unbesetzte Toilette. »Pete!«
    Ich wirbelte herum und entdeckte einen Notausgang am Ende eines Flurs. Zwei Männer standen dort herum, sprachen miteinander. Sie drehten die Köpfe in meine Richtung, als ich auf die Tür zusprintete. Ich war mir ziemlich sicher, dass sie die Tür bewachten, aber ich hatte jetzt nicht die Zeit, sie danach zu befragen. Ich preschte an ihnen vorbei, hörte, wie sie mir folgten. Ich stieß die Tür auf, kühle Luft drang herein - und die Geräusche einer gewalttätigen Auseinandersetzung.
    Im nächsten Moment traf ein dumpfer Schlag meine Brust und raubte mir den Atem. Ich stürzte gegen eine Ziegelmauer und sank zu Boden. Einen Augenblick später fiel erneut Licht aus dem Notausgang, und ich spürte ein paar heftige Tritte gegen meine Rippen.
    »Nur eine kleine Erinnerung, Jason«, sagte der Mann. Ich beugte mich vor, bekam aber noch immer keine Luft. Während mehrere Männer durch die Gasse davonrannten, spähte ich in der Dunkelheit umher und entdeckte auf dem Boden
eine zusammengekrümmte Gestalt. Ich konnte hören, wie sie sich hektisch bewegte, das Geräusch von Stoff, der über den Asphalt schabte.
    »Pete«, stieß ich hervor. Meine Augen hatten sich inzwischen etwas an die Dunkelheit gewöhnt. Pete rollte sich auf die Seite und zerrte seine Hose hoch. »Pete.«
    Ich kroch zu ihm.
    »Sie haben mir nichts getan«, sagte er. »Nichts passiert.« Er zog seine Hose bis zur Hüfte hoch. »Sie haben mir nichts getan«, wiederholte er. Er fühlte sich erniedrigt, zutiefst verängstigt und versuchte vergeblich, den Tapferen zu markieren.
    »Was...« Ich rang nach Atem, holte zweimal tief Luft.
    »Nur eine Erinnerung«, keuchte er. »Wie es sein wird... im Knast.«
    Ich legte eine Hand auf Petes Schulter, während er sein Gesicht in den Händen vergrub, sich wie ein Fötus zusammenrollte, und seine Brust bebte.

30
    Mein Bruder und ich fuhren auf dem schnellsten Weg nach Hause. Ich schaltete die

Weitere Kostenlose Bücher