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Der Mann mit dem Fagott

Titel: Der Mann mit dem Fagott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Juergens , Michaela Moritz
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noch seine Krankheit, er kämpft Tag für Tag mit dem Leben, ringt um jeden Atemzug. Für ihn ist nichts auf der Welt einfach. Das hat ihn hart gemacht. Gesundheitlich ist er durch sein furchtbares Asthma, das ihn von Geburt an verfolgt und ihm das Leben oft zur Hölle macht, der schwächste von uns fünf Brüdern, aber gerade das hat ihn auch in vielerlei Hinsicht zum stärksten von uns gemacht - und hart gegenüber sich selbst, dem Leben und oft auch gegenüber anderen. Man muß ihn einfach so nehmen wie er ist und darf ihn nicht aufgeben.«
    Ich stimme ihm zu. »Ich habe ihn zur Premiere ja auch eingeladen. Er wird zwar sicher nicht kommen, aber mein Leben wird auch so weitergehen.«
    Inzwischen haben wir in einem der kleinen Lokale Platz genommen und Krabben bestellt.
    »Ich werde jedenfalls da sein«, meint Onkel Johnny, »und zwar in meinem neuen Anzug, den ich mir dir zu Ehren gerade von meinem Freund Adolf Sterzig habe machen lassen. Er hat eine Schneiderei in Hamburg, und ich habe, wie ich es damals im Lager geschworen habe, seit unserer Entlassung keinen Anzug mehr getragen,
den nicht er für mich gemacht hat. Schließlich hat er mir damals im Lager das Leben gerettet.« Er macht eine kleine Pause. »Du wirst mich gar nicht wiedererkennen, so edel und weltmännisch, wie ich in deinem Konzert erscheinen werde!« Onkel Johnny genießt seine Krabben, bestellt noch ein Glas Wein, während ich fühle, wie meine Nervosität langsam zurückkehrt und meinen Körper und meine Seele zu beherrschen beginnt.
    Morgen werde ich also zum ersten Mal in meinem Leben mit einem eigenen Repertoire auf Solo-Tournee gehen. Die Erwartungen von allen Seiten sind hoch. Und meine eigenen Ansprüche an mich selbst sowieso. Da muß das Programm stimmen, müssen die Texte »sitzen«, muß der Klangkörper meiner kleinen Fünf-Mann-Band perfekt sein. Tausenderlei Dinge könnten in den nächsten Monaten schiefgehen: eine meine immer wiederkehrenden Ohrengeschichten, die mich seit der Kindheit und der Ohrfeige des Jungzugführers verfolgen, oder eine Erkältung, Soundprobleme bis hin zu Kurzschlüssen und Totalausfällen der Technik und noch vieles mehr, woran ich gar nicht denken mag, auch gar nicht denken darf . Doch die Unruhe läßt sich nicht ganz besiegen, nur für Augenblicke beiseite schieben. Und viele in der Branche vermuten und wünschen sich vielleicht ja sogar einen Reinfall. All der Erfolg, den ich in letzter Zeit hatte, ist ihnen irgendwie suspekt. Und dann gehe ich auch noch auf Solo-Tournee! Ein Schlagersänger, der sich das anmaßt … unmöglich! So was hat es schließlich noch nie gegeben! Der kann ja nur sein blaues Wunder erleben. Das ist doch der pure Größenwahn! Ein Solo-Programm machen anspruchsvolle Künstler, Jazz-Größen. Aber Schlager , das funktioniert nur als Revue, als bunter Abend. Dort hat diese Musik ihren Platz. So denken immer noch viele, und es stimmt ja auch. Daß ich aber eigentlich etwas ganz anderes will, etwas, das nicht einfach nur in die Schlagerschublade paßt, eine Musik, die nicht immer nur fröhlich bis hin zur Stupidität ist, sondern Lieder, die eine eigene Sprache sprechen, die auch in der kleinen Form etwas aussagen und die trotzdem unterhalten, das nehmen natürlich nur wenige zur Kenntnis. Noch nicht. Irgendwann vielleicht. Jetzt aber sprengt das, was ich mit dieser Tournee wage, Grenzen, und das eckt an. Viele wollen mich verlieren sehen, das weiß ich. Und vielleicht war es das ja auch tatsächlich schon: ein kurzer Moment des Erfolges,
der Triumphe, eine Ahnung von einem Leben, wie ich es mir bisher immer nur hatte erträumen können - und dann - erst einmal alles wieder vorbei. Es wäre irgendwie typisch für meine Karriere. Eine Angst, die mich seit Tagen schon schlecht schlafen läßt.
    »Junge, du bist irgendwie so blaß. Ist alles in Ordnung?« Onkel Johnny sieht mich etwas besorgt an. Jetzt erst merke ich, daß ich schon die ganze Zeit hindurch nervös mit meinen Fingern auf den Tisch trommle, was ich sofort sein lasse, als ich es merke.
    Ich nicke etwas verstört. »Ja, ja, alles bestens! Es ist nur die Unsicherheit vor dem, was da auf mich zukommt«, sage ich ein bißchen nervös. »Es ist einfach so vieles, woran man denken muß, so vieles, was schiefgehen könnte. Diese Tournee ist ein Risiko …«
    Onkel Johnny nimmt meine Hand, und es weckt Erinnerungen an meine Kindheit, an seine Zuversicht und seinen Trost, den er mir damals bei seinen Besuchen gegeben hat, wenn

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