Der Mann mit dem roten Zylinder
nehmen?“
Felix Steinbach macht erschrocken eine abwehrende Handbewegung.
„Nein, nein, ganz gewiß nicht. Es hat schon seine Richtigkeit... Als die anderen Erben davon hörten, haben sie schadenfroh gelacht... Aber sie wußten ja nicht, was es mit dem gelben Krokodil für eine Bewandtnis hatte...“
„Und was hat es für eine Bewandtnis?“
„Das gelbe Krokodil ist aus Elfenbein geschnitzt und ungefähr dreißig Zentimeter lang. Wenn man mit dem Zeigefinger in den geöffneten Rachen hineinlangt, kommt man an ein winziges Knöpfchen. Drückt man es nieder, klappt an der Unterseite der Figur eine kleine Tür auf, die einen Hohlraum von der Größe etwa zweier Zigarettenschachteln freilegt.“
„Aha...“ macht Patò und setzt ahnungsvoll hinzu: „Ich nehme an, daß dieser Hohlraum das Versteck von irgendwelchen Kostbarkeiten war?!“
Steinbach holt schnaufend Luft. „Er war voll mit Edelsteinen. Edelsteinen im Wert von fast hunderttausend Mark...“ Steinbachs Stimme ist plötzlich heiser vor Erregung, und auch Patò pfeift durch die Zähne. „Und dieses Krokodil haben Sie geerbt — sozusagen.“
Steinbach nickt heftig: „Zumindest auf dem Papier. Die Sache hat nämlich einen entscheidenden Haken — das gelbe Krokodil ist nicht auffindbar.“
„Es ist gestohlen worden?“ fragt der Detektiv. Steinbach hebt und senkt fragend die Schultern. Auf seinem Gesicht steht die ganze Verzweiflung über den Verlust dieser merkwürdigen Erbschaft.
„Wer sollte es gestohlen haben? Niemand außer meinem Vetter Jörg und mir wußte von dem Geheimnis des gelben Krokodils... Das hat Jörg jedenfalls mir gegenüber bei meinem letzten Besuch behauptet.“
Henry Patò blickt forschend auf seinen Besucher. „Sagen Sie, Herr Steinbach — auf der einen Seite nennt... oder besser, nannte Ihr Vetter Sie einen Geizkragen, der nur dem Geld nachläuft, und auf der anderen zeigte er ausgerechnet Ihnen so einen Schatz...?“
„Ich weiß auch nicht... er war schon immer ein komischer Kauz...“
„Liegt nicht die Gefahr nahe, daß er Ihnen mit der ganzen Geschichte nur einen Streich spielen wollte? Vielleicht hat er die Edelsteine schon lange veräußert...?“
Steinbach hat sich diese Möglichkeit wohl auch schon selbst überlegt. Aber offenbar scheidet sie von vornherein aus, denn sein heftiges Kopfschütteln spricht eine deutliche Sprache.
„Das glaube ich nicht... Ich kann es natürlich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit verneinen, aber mein Gefühl sagt mir, daß das Krokodil und sein Inhalt nach wie vor existieren…“
„Auf Gefühle sollte man sich nicht so fest verlassen. Übrigens — warum eigentlich ,gelbes 1 Krokodil, wenn es aus Elfenbein ist?“
„Es ist quittengelb angestrichen. Warum, konnte mir mein Vetter auch nicht sagen.“
„Also gut, Herr Steinbach — was soll ich für Sie tun?“ Steinbach wirft Patò einen flehenden Blick zu und hebt ein wenig hilflos die Arme:
„Sie sollen versuchen, das Krokodil zu finden. Wie, das überlasse ich Ihnen...“
Henry Patò lehnt sich in seinem Sessel zurück und schließt für einen kurzen Augenblick die Augen. Dabei trommeln seine Fingerspitzen in eigenartiger Weise einen Rhythmus auf seine Knie... Es ist das SOS-Zeichen. Dreimal kurz — dreimal lang — dreimal kurz... Steinbach blickt wie hypnotisiert auf diese Finger, als könne er sich von ihnen die Lösung seines Problems erhoffen.
Patò richtet sich mit einem heftigen Ruck wieder auf. „Wer verwaltet das Haus Ihres Vetters jetzt? Will es der Erbe bewohnen?“
„Wie er zu mir sagte, beabsichtigt er, das Grundstück zu verkaufen...“
„Hm...“ Patò fährt sich nachdenklich durch die Haare...
Steinbachs Blick ruht angstvoll auf ihm. Fast stockend fragt er dann: „Nehmen Sie den Auftrag an, Herr Patò?“
Statt einer Antwort erhebt sich der Detektiv und begibt sich zum Schreibtisch. Leise vor sich hin murmelnd, entnimmt er einer Schublade einen Bogen Papier und mehrere Bleistifte. Nachdem er jede einzelne Spitze auf ihre Tauglichkeit ausprobiert hat, setzt er sich wieder hin und fordert seinen Besucher auf:
„Geben Sie mir jetzt alle Namen der Beteiligten an! Ihren Beruf und, wenn es geht, auch ihre Anschriften. Vergessen Sie den Anwalt nicht…“ Während Felix Steinbach die gewünschten Angaben macht, kritzelt Patò eifrig mit.
Mitunter muß Steinbach längere Zeit nachdenken. Patò sitzt dann stumm und geduldig da und wartet, bis das Gedächtnis seines Besuchers wieder zu
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