Der Mann mit dem roten Zylinder
Boggestraße?“ fragt Knut, ebenfalls aufstehend.
„Ja!“
„Haben Sie ein Auto?“
„Ja, mein Sohn, seit einer Stunde. Ich habe mir nämlich eines gemietet.“
„Hurra!“ ruft Knut Larson und macht einen Luftsprung.
„Was soll dieser Jubelausbruch?“ erkundigt sich Henry Patò gewollt sachlich.
„Ich fahre doch so gern Auto...“
Knut Larsen kennt sich wirklich gut aus. Keine Abkürzung ist ihm unbekannt, und selbst wie man am besten zeitraubende Ampelkreuzungen umgeht, weiß er. So vergeht keine dreiviertel Stunde, und sie sind am Ziel.
Vor dem Haus Nummer 24 stoppt Henry Patò den Wagen ab.
„Holpert“ steht auf dem weißen Emailschild neben dem kunstvollen schmiedeeisernen Tor.
„Du wartest hier auf mich, Toffi“, wendet sich der Detektiv kurz an seinen Beifahrer, was dieser ergeben zur Kenntnis nimmt: „Das kenne ich. Immer, wenn es spannend wird, muß ich warten...“
Patò lächelt und gibt ihm einen leichten Klaps.
„Vielleicht versuchst du in der Zwischenzeit mal, System in deine Haare zu bringen.“
Langsam geht Patò auf das Tor zu. Überrascht stellt er fest, daß es nur angelehnt ist. Einen Augenblick überlegt er, ob er den Klingelknopf betätigen soll; doch dann unterläßt er es und betritt staunend das fürstlich erscheinende Anwesen. Zur Rechten und zur Linken des Kieswegs erstreckt sich ein gepflegter Garten, den man schon fast als Park bezeichnen kann. Die Anordnung von Oleanderbüschen, Goldregen und kleinen Silbertannen läßt erkennen, daß der Besitzer Geschmack hat.
Im Hintergrund leuchtet weiß die Fassade eines zweistöckigen Hauses, deren untere Fenster durchweg mit Buntglas ausgestattet sind.
Im Gegensatz zum Außentor gibt es an der Haustür keine elektrische Klingel, sondern einen Handzug. Als Patò daran zieht, hört er irgendwo entfernt das helle melodische Bimmeln einer Glocke. Es dauert gute drei Minuten, bis sich die Tür öffnet. Patò steht einem älteren Herrn in einer gestreiften Weste gegenüber.
„Bitte, Sie wünschen?“
Patò hört das Mißtrauen in der Stimme des anderen mitschwingen, und obgleich er überzeugt ist, daß es sich um den Diener oder Butler handelt, fragt er höflich: „Verzeihung, sind Sie Herr Erikson?“
Die Andeutung eines Lächelns huscht über die schmalen Lippen des Mannes in der gestreiften Weste.
„Mein Name ist Torsten. Ich bin hier sozusagen das Mädchen für alles.“
Henry Patò spürt instinktiv, daß er auf dem richtigen Weg ist.
„Ich kannte übrigens Ihren verstorbenen Herrn!“
„Sie kannten Herrn Holpert?“ entfährt es dem Faktotum überrascht. Patò nickt und beschließt das Eisen zu schmieden, solange es heiß ist: „Darf ich vielleicht eintreten, ich hätte Sie gern einiges gefragt?“
Nach kurzem Zögern gibt der Mann die Tür frei und mit einem: „Bitte, wenn Sie mir folgen wollen“, führt er den Detektiv in ein luxuriös ausgestattetes Herrenzimmer.
Anerkennend läßt Patò seine Blicke über die Einrichtung schweifen. Eine Einrichtung, die keinen Augenblick verleugnen kann, daß der Besitzer längere Zeit in Afrika gelebt hat. Speere, Masken, Skulpturen und Götzenfiguren in Hülle und Fülle.
„Bitte, nehmen Sie Platz!“ Patò wird aus seiner Betrachtung gerissen. Langsam setzt er sich in einen Plüschsessel und schlägt die Beine übereinander.
„Da haben Sie ja allerhand zu tun, wenn Sie das alles in Ordnung halten müssen“, beginnt Patò das Gespräch und blickt anerkennend auf Torsten, der es sich auf einem reichverzierten Sitzkissen bequem gemacht hat.
„Ich gehe nach einem bestimmten Plan vor. So kommt alles an die Reihe. Als Herr Holpert noch lebte, war ich hier im Hause Koch, Gärtner, Chauffeur, Dienstmädchen und Butler alles in einem.“
„Donnerwetter, Sie sind ja ein Genie.“
Geschmeichelt wiegt Herr Torsten den Kopf. „Herr Holpert war sehr zufrieden mit mir — glaube ich sagen zu können“, und sich plötzlich erinnernd: „Aber Sie wollten doch etwas Bestimmtes wissen?“
Henry Patò versucht, einen vertraulich erscheinenden Klang in seine Stimme zu bekommen, als er fragt: „Sagen Sie, Herr Torsten, ich habe gehört, daß das Haus zu verkaufen ist.“
Torstens Augenbrauen ziehen sich zusammen, während in seiner Stimme eine kühle Reserviertheit mitschwingt:
„Das tut mir leid, Herr... Herr...“
Patò schlägt sich vor die Stirn. „Verzeihung, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt. Patò ist mein Name. Herny Patò.“
Torsten nickt kurz
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