Der Mann mit dem roten Zylinder
einem unzusammenhängenden Gestotter.
„Ach, das ist interessant“, amüsiert sich Patò, der keine Sekunde ernsthaft daran gedacht hat, den Pagen zu melden. „Du wolltest also — und was?“
„Ich wollte nur mal sehen, was so ein berühmter Detektiv macht...“
„Aha... bist du nun beruhigt?“ Patò zeigt an sich herunter und spricht: „Er sitzt mit hochgekrempelten Ärmeln und in Strümpfen herum und wartet, bis sich jemand die Nase vor seinem Schlüsselloch eindrückt.“
„Ja... jawohl, Herr Patò... ich meine, es wird nicht wieder Vorkommen...“ Und flehentlich setzt er hinzu: „Bitte, sagen Sie nichts dem Zwilling... bitte...“
„Ich soll nichts dem Zwilling sagen?“ erkundigt sich Patò verblüfft. „Und wer ist der Zwilling?“
„Der Empfangschef“, flüstert der Page leise und wirft dabei einen vorsichtigen Blick in den leeren Gang.
„Na gut. Ich will noch einmal Gnade vor Recht walten lassen.“ Dann macht er ein finsteres Gesicht: „Wenn ich dich aber noch einmal vor meiner Tür erwische, lasse ich dich zur Strafe mein Auto waschen. Haben wir uns verstanden?“
Erleichtert nickt der Page. Dann macht er eine Verbeugung und sagt dankbar: „Vielen Dank, Herr Patò.“ Und so schnell ihn seine Beine tragen, verschwindet er in Richtung Fahrstuhl. Das muß er seinem Freund Haralt erzählen. Der wird Augen machen. Lächelnd schließt Patò die Tür und nimmt seine unterbrochene Wanderung wieder auf.
„Wo war ich stehengeblieben?“ fragt er sich laut und murmelt den Text herunter. „Ah, da war’s... Also: Frage Nummer eins: Wer wußte von der Existenz des gelben Krokodils?
Ich treffe also in Kopenhagen ein und werde vom ersten Tag an überwacht. Ein Mann im Kleiderschrank richtet mir Grüße aus. Grüße von Samor. Dasselbe Grußmanöver wiederholt sich vor dem Haus Boggestraße. Handelt es sich in beiden Fällen um die gleiche Person? Nein, das ist unwichtig. Wichtig ist — wer verbirgt sich hinter dem Namen Samor? Das wäre also Frage Nummer zwei. Frage Nummer zwei beantwortet automatisch Frage Nummer eins. Samor weiß von dem gelben Krokodil. Und er weiß auch, daß mir Steinbach den Auftrag gegeben hat... Komisch...“ Patò schüttelt den Kopf. Dann liest er weiter: „Entweder weiß Samor, wo sich das gelbe Krokodil befindet — oder er will vermeiden, daß es mir in die Hände fällt. Oder aber, was noch wahrscheinlicher ist, Samor ist selbst hinter der Figur her.
Frage Nummer drei: Stimmen Steinbachs Angaben, daß außer ihm niemand vom Geheimnis der Elfenbeinschnitzerei weiß?
Frage Nummer vier: Was für Leute sind die beiden anderen Erben?
Frage Nummer fünf: Wie weit geht das Wissen des T estamentsvollstreckers?“
Patò hält in seiner Wanderung inne. Und dann kommt ganz plötzlich Leben in ihn.
Eiligst sammelt er seine verstreuten Schuhe ein und schlüpft in sie hinein. Mit dem gleichen Tempo rollt er seine Hemdärmel zurück und zieht sich das Jackett über.
Sich erinnernd, kramt er hastig unter den Papieren auf dem Tisch herum. Da ist der Zettel, den er in der Nacht mit Steinbachs Angaben vollgekritzelt hat. Sein Zeigefinger huscht über die Zeilen, bis er gefunden hat, was er sucht. Den Namen des Rechtsanwalts. Doktor Paul Björnson. Kronprinzenstraße 33.
Mit zwei Fingern fischt er sich seinen Hut vom Haken, und ohne Mantel verläßt er sein Zimmer.
Doktor Björnson weiß von nichts
Es hat reichlich lange gedauert, bis Henry Patò die Kronprinzenstraße gefunden hat.
Auf atmend bringt er seinen Wagen endlich vor einem hohen Bürohaus zum Halten. Mit einem forschenden Blick läßt er seine Augen über die helle gepflegte Fassade des achtstöckigen Hauses wandern. Neben der messingverzierten Eingangstür reiht sich Firmenschild an Firmenschild, GROSSHANDEL IN PELZEN — INGENIEURBÜRO – FRACHTGUT-VERMITTLUNGEN USW. Erst das vorletzte Schild verrät, daß in diesem Haus auch ein Rechtsanwalt und Notar namens Paul Björnson sein Büro unterhält.
Patò fährt mit dem Lift in den siebten Stock. Gegenüber der Fahrstuhltür entdeckt er den Hinweis auf Björnsons Wartezimmer. „Eintreten ohne Anklopfen“ steht auf dem Schild, und der Detektiv macht von dieser Aufforderung Gebrauch. In der Mitte des Raumes steht ein riesiger runder Tisch, auf dem eine Unmenge von Zeitschriften herumliegen. Genau ausgerichtet gruppieren sich sechs Korbstühle darum. Weitere befinden sich ringsherum an den Wänden. Einige wenige immergrüne Topfpflanzen vervollständigen
Weitere Kostenlose Bücher