Der Mann mit dem roten Zylinder
er sieht, daß sich Patò nicht allzuviel daraus macht, ändert er seinen Stimmungskurs rasch. Man kann schließlich nie wissen, was den Erwachsenen einfällt, mag er dabei gedacht haben.
Verstohlen blinzelt er Patò an, der in Gedanken versunken zu sein scheint.
Da ihm jedoch das Stillsein allmählich mißfällt, beschließt er, sich laut und vernehmlich zu räuspern.
Patò reagiert zu seinem Leidwesen überhaupt nicht. Knut überlegt, wie er seinen Gönner am besten aufwecken könnte. Ich werde ihn ganz einfach ärgern, nimmt er sich vor...
„Ist ja doch gewaltig nett, Herr Patò, daß Sie sich noch an mich erinnert haben...“
Patò sieht ihn abwesend an. „Was sagtest du eben?“ Trotzig schürzt Knut die Lippen. „Ich sagte eben, daß ich es gewaltig nett finde, daß Sie sich noch an mich erinnert haben!“ wiederholt er und schielt mißtrauisch zu Patò hinauf. Henry Patò boxt ihn leicht in die Seite.
„Ich denke, dieses Thema hatten wir schon zu den Akten gelegt, hm?“
„Ich wollte ja auch nur, daß Sie sich mit mir unterhalten.“ Damit läßt Knut die Katze aus dem Sack und ergänzt: „Außerdem haben Sie mir noch nicht gesagt, wohin wir gehen...“
„Habe ich noch nicht?“
„Nee!“
„Ich habe eine ehrenvolle Aufgabe für dich bereit.“ Knut winkt ab, und altklug kommt es aus seinem Mund: „Das kenne ich... Die ehrenvollen Aufgaben sind die schlimmsten. Wenn Herr Trellen zu mir von ehrenvollen Aufgaben spricht, schickt er mich anschließend meist zum Briefkasten...“
Nun muß Patò doch lachen. Und tröstend erklärt er seinem kleinen Begleiter: „In meinem Fall wartet wirklich eine wichtige Aufgabe auf dich...“
„Ich bin ganz neugierig!“ erwidert Knut gar nicht überzeugt.
„Wir gehen jetzt zusammen in ein Haus.“
„Toll, wie spannend…“ Oh, das war ihm wirklich nur aus Versehen rausgerutscht, und zerknirscht steckt er den vorwurfsvollen Blick Patòs ein. Patò fährt fort: „Wir werden an einer Tür klingeln und warten, daß sie geöffnet wird...“
„Und wann kommt das Ehrenvolle?“ will Knut wissen.
„Wenn sich die Tür öffnet, werde ich nach Herrn Detlev Erikson fragen... Und jetzt paß auf. Wenn dieser Herr Erikson erscheint, mußt du ihn dir so genau ansehen, daß du ihn jederzeit wiedererkennst.“
Knut blickt noch immer ziemlich mißtrauisch.
„Und dann?“
„Dann werde ich mich mit dem Mann unterhalten, und du wirst draußen an der Haustür auf mich warten.“
„Und dann?“
„Nichts und dann. Das Weitere wird sich ergeben...“Henry Patò erwidert forschend Knuts sonderbaren Blick. „Was siehst du mich so an?“
Knut Larsen schüttelt nur den Kopf. Dazu murmelt er: „Och, nur so... Ich soll... also... an der Haustür warten, nicht?“
Patò nickt bestätigend... und Toffi tut das gleiche. „Fein...“ Von Begeisterung kann keine Spur sein. Ja, Knut ist sogar sicher, daß es viel interessanter hätte sein können, wenn er ans Wasser gegangen wäre... Dort konnte er wenigstens die Wildenten jagen... und Steine tanzen lassen... Und so? So soll er an der Haustür warten... Na ja, die Ansichten über ehrenvolle Aufgaben gehen eben doch weit auseinander.
„Hier ist es!“ hört er in diesem Augenblick Patò sagen, und ohne jegliche Neugier betrachtet er das Haus. Nichts Besonderes ist daran zu entdecken. Als sie den Hausflur betreten, rümpft Knut mürrisch die Nase.
„Pfui, hier stinkt’s aber nach Zwiebeln...“
„Wenn du lange genug gerochen hast, merkst du nichts mehr. Nur immer tief Luft holen…“
Patò studiert die Schilder im Erdgeschoß. Doch er findet keinen Hinweis auf einen Mieter namens Erikson. Entschlossen wendet er sich dem ersten Obergeschoß zu. Knut tippelt mißmutig hinterher. Und jetzt haben sie Glück. An der Tür zur rechten Wohnung entdeckt Patò neben einem Messingschild eine kleine angeheftete weiße Karte. Er beugt sich nach vorn und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen.
DETLEV ERIKSON
WISSENSCHAFTLER
liest er. Darunter steht noch, daß man für Herrn Erikson zweimal klingeln muß.
„Jetzt wird’s ernst, Toffi, also gut aufgepaßt!“
Knut nickt.
Henry Patò drückt wie gewünscht zweimal auf den Klingelknopf.
Eine halbe Minute vergeht, dann nähert sich hinter der Tür ein Schlürfen...
Ein Mann knapp über die Vierzig öffnet die Tür. Er trägt einen verschmierten weißen Mantel. Auf der Nase balanciert er einen verbogenen Nickelklemmer, der ihm anscheinend nur zum Lesen dient, denn jetzt
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