Der Mann mit den zwei Gesichtern
Art, sondern die Luxusausführung“, bemerkte Gerd. „Und Sie wollen wirklich nichts davon gewusst haben, welche Schätze Sie in ihrem mobilen Operationssaal spazieren gefahren haben?“
Franziska schüttelte den Kopf. „Ich schwöre.“ Mit theatralisch aufgerissenen Augen hob sie die Hand.
“Indianerehrenwort?“
Sie nickte.
„Na, dann wollen wir mal.“ Gerd winkte sie herbei. „Bitte, Frau Assistentin, reichen Sie mir den Heber.“
Franziska beugte sich in den Kofferraum, griff nach dem Kasten. Sapperlot, war der aber schwer. Luxus hat sein Gewicht , dachte sie, während sie zog, drückte und schob. Und während sich nichts bewegte.
„Hrm“, machte Gerds Stimme hinter ihr. „Wenn ich mir den Hinweis erlauben darf, Sie müssen erst die Sicherung lösen. Ein guter Wagenheber ist fixiert, damit er nicht herumrutscht. Und wie ich Ihnen bereits gesagt habe, ist dieser hier nicht nur ein guter Wagenheber.“
„Und ist folgerichtig doppelt gesichert“, stellte Franziska grinsend fest.
Es bedurfte seiner Hilfe, die etwas zu festgezogene Schraube aus der Halterung zu lösen, doch dann reichte sie ihm feierlich den Wagenheber: „Bitte sehr.“
Gerd schickte sich an, sich neben das Auto zu knien.
„Herr Doktor“, sie legte schrilles Entsetzen in ihre Stimme. „Warten Sie, sonst sind Sie nicht mehr steril.“ Eilig holte sie eine Decke aus dem Wagen. „Hier, für Ihre Knie.“
„Es ist doch immer gut, eine erfahrene Assistentin zur Seite zu haben“, seufzte er, als er sich vorschriftsmäßig auf die Decke gekniet, den Wagenheber angesetzt, angeschlossen und eingeschaltet hatte.
Langsam begann das zerfetzte Rad, sich vom Boden zu lösen.
„Wenn ich jetzt um den Schraubenschlüssel bitten dürfte.“ Er streckte die Hand aus.
„Ach natürlich, natürlich.“ Franziska, die jede seiner Bewegungen mit Faszination beobachtet hatte, sprang eilig an den geöffneten Kofferraum und beugte sich hinein. Sie suchte zuerst nur mit den Augen, neigte sich dann aber noch weiter vor, um die Hände zu Hilfe zu nehmen. „Schraubenschlüssel“, murmelte sie vor sich hin. „Wo steckst du nur?“
Sie entdeckte den Erste-Hilfe-Kasten, das Warndreieck, Schutzwesten. Doch nichts, aber auch gar nichts, was wie ein Werkzeug, geschweige denn wie ein Schraubenschlüssel aussah. Mist, das kam von ihrem regen Desinteresse Autos gegenüber. Jeder normale Mensch hätte schon längst mal in den Innereien seines Fahrzeugs gekramt, um sich ein Bild davon zu machen, was da so alles zu finden war.
„Tja“, gestand sie schließlich und hob ratlos die Schultern. „Ich befürchte, ich kann Ihnen nicht dienen.“
„Das gibt's doch nicht. In jedem Wagen befindet sich doch ein Notfall-Werkzeug.“
Er war sofort bei ihr, beugte sich neben sie in den Kofferraum und klappte nach einem kurzen Blick die Abdeckung zum Ersatzrad nach oben: „Nehmen wir doch den hier.“
Das Werkzeug war dort neben dem Ersatzrad angeschraubt. In einer Nische. Schweigend löste Gerd die Sicherung und ging zum Wagenheber zurück.
Franziska kam sich mit einem Mal entsetzlich dämlich vor. „Sorry“, raunte sie. Sie wandte sich ab. Damit hatte sie sich als Totalniete geoutet, die nicht mal in der Lage war, eine Klappe zu entdecken. Sicher war er froh, sie in ein paar Minuten loswerden zu können.
„Frau Assistentin“, riss sie seine barsche Stimme zurück in die Realität. „Ich brauche Tupfer. Wenn ich mal bitten dürfte.“ Er deutete mit seinen nunmehr schmuddligen Händen auf seine Stirn.
Eilig nestelte sie ein Taschentuch hervor und hielt es ihm hin.
Wie zur Antwort reckte er ihr seinen Kopf entgegen. „Sie sehen doch ...“
Oh, er spielte doch noch! Franziska grinste, als sie das Taschentuch auseinanderfaltete und über seine Stirn rieb. Die kein bisschen verschwitzt war.
„Danke“, sagte er und grinste sie an. „Das macht man im OP doch so, oder?“
Sie nickte. „Ja, genauso.“
Danach arbeitete er schweigend weiter, löste die Schrauben und hob schließlich das zerfetzte Rad zu Boden.
Die schöne, fast alberne Stimmung war verflogen, das Spiel zu Ende.
Franziska betrachtete Gerd, wie er so selbstverständlich hantierte, schob, drehte, als sei das etwas, was er täglich tue. Dass er Mechaniker war, glaubte sie dennoch nicht. Zu glatt, zu sauber waren seine Fingernägel. Überhaupt, seine ganze Statur wirkte zu elegant., um ihn sich im ölverschmierten Blaumann vorstellen zu können. Obwohl er mit Hemd und Jeans durchaus
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