Der Mann mit der dunklen Maske
sein.“
Der Earl of Carlyle trat zu Camille und nahm ihre Hände in seine. „John!“ sagte er, sah aber Camille an. „Ich bitte Sie! Das klingt ja so, als würden Sie dem Mädchen drohen.“
Amüsiert ruhten die durchdringenden blauen Augen auf Camille. Es gab für Sir John wirklich nicht den geringsten Grund, sie zu bedrohen. Ihr war bewusst, dass sie bereits bedroht wurde. Neben all den anderen Fähigkeiten, die er im Laufe der Jahre erworben hatte, war er ein exzellenter Schauspieler geworden, denn es schien, als wäre er freundlich, höflich und stets absolut korrekt, wie man es von seinem Stand erwarten konnte.
Sie versuchte, ihm sanft ihre Hände zu entziehen, aber sein Griff war fest. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Wie überaus freundlich von Ihnen, Lord Stirling. Ich fürchte nur, ich bin eine ziemlich dürftige Wahl für einen solchen Abend.“
„Blödsinn. Wir leben im Zeitalter der Aufklärung. Welche bessere Begleitung könnte ich mir für den Abend aussuchen als eine junge Frau, die nicht nur schön ist, sondern auch intelligent und so ausgesprochen versiert, wenn es um das Thema der Veranstaltung geht.“
„Camille“, murmelte Sir John eindringlich und stieß sie verstohlen an.
Stirlings Lächeln war ein wenig grimmig, aber durchaus amüsiert. Am liebsten hätte sie ihm ihre Hände jetzt entrissen. Am liebsten hätte sie ihm sogar gesagt, dass sie den Abend eher in irgendeiner Kaschemme mit Betrügern und Dieben verbringen würde.
„Es ist nicht … die Maske?“ fragte er.
Oh, was für ein Ton. Jetzt brachte der Mann echtes Pathos ins Spiel. „Nein“, erwiderte sie mit einem süßen Lächeln. „Dies ist das Zeitalter der Aufklärung, wie Sie schon sagten, My Lord. Kein Mann und keine Frau sollten nach ihrem Äußeren beurteilt werden.“
„Bravo!“ stimmte Sir John zu.
Offensichtlich hatte ihr Peiniger entschieden, ihre Zustimmung gar nicht erst abzuwarten.
„In diesem Fall, lieber John, werde ich an dem Ball teilnehmen. Aber Sie haben zu arbeiten, und ich bin schuld an Miss Montgomerys Verspätung. Ich fürchte, ich verschwende gerade noch mehr Ihrer kostbaren Zeit. Es ist in der Tat eine Freude zu sehen, dass es Ihnen so gut geht, alter Freund. Wie immer ein bisschen unorganisiert, aber gesund und munter. Miss Montgomery, Shelby wird mit der Kutsche auf Sie warten. Um sechs, ist das richtig?“
„Gewöhnlich wird es mindestens halb sieben“, murmelte sie und bemerkte, dass Sir John sie beide mit offenem Mund anstarrte.
Stirling entschied, ihn aufzuklären. Seine Neugier hätte ihn sonst wahrscheinlich in Stücke gerissen. „Der Vormund dieser jungen Frau hatte letzte Nacht einen Unfall direkt vor meinem Besitz. Selbstverständlich ist er mein Gast. Und natürlich kam Miss Montgomery sofort herbeigeeilt, um sich seiner anzunehmen. Zu meiner großen Freude hat Schloss Carlyle endlich wieder Gäste. Einen schönen Tag noch Ihnen beiden.“
„G…guten Tag, Brian“, stotterte Sir John und starrte Stirling nach, als er das Büro verließ. Mit der Haltung eines Mannes, der in seine Position hineingeboren worden war.
Sir John brauchte einen Moment, um seinen Blick von der Tür loszureißen. Dann wandte er sich verblüfft Camille zu.
„Guter Gott!“ stieß er hervor.
Ihr fiel nichts anderes ein, als das Gesicht zu verziehen und mit den Schultern zu zucken.
„Das ist wirklich verblüffend.“
„Ich fürchte, ich hatte wirklich keine Ahnung“, murmelte sie. „Ich bin nur dorthin gefahren, um mich um meinen Vormund zu kümmern.“
„Ein Unfall?“ sagte Sir John und runzelte die Stirn. „Er wird doch wieder gesund?“
Sir John war ein wohlerzogener Mann. Es schien ihn zu betrüben, dass die Ereignisse ihn davon abgelenkt hatten, sich nach dem Wohl eines Mitmenschen zu erkundigen.
„Ja, vielen Dank. Wir denken, er hat zwar ein paar Schrammen abbekommen, aber es ist nichts Ernstes.“
„Diese Droschkenkutscher“, winkte Sir John ab. „Sie sind oft so unvorsichtig und leichtsinnig. Aber es darf ja auch einfach jeder auf den Bock.“ Er schien angewidert, dass die Kutscher überhaupt nicht ausgebildet wurden. Viele reiche Männer – und wahrscheinlich auch einige seiner Bekannten – hatten in solche Droschken investiert, ohne darauf zu achten, wer die Zügel führen würde.
Sie lächelte und verkniff es sich, ihm mitzuteilen, dass an dem „Unfall“ keine Droschke oder sonst irgendein Transportmittel beteiligt gewesen war.
Verwirrt starrte er sie
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