Der Mann ohne Vergangenheit
sie:
„Guten Abend, Madame.“
„Guten Abend, Jules.“
Jules betrachtete Alar mit bedauernder Neugier. „Ich fürchte, Euer Exzellenz …“
Der Dieb murmelte kalt: „Dr. Hallmarck.“
Jules verbeugte sich erneut. „Natürlich, Sir.“ Er griff nach dem Mikrophon und rief gewandt: „Dr. Hallmarck, in Begleitung von Madame Haze-Gaunt.“
Keiris beachtete den schockierten Blick nicht, den ihr der Dieb zuwarf.
„Sie brauchen die Maske nicht die ganze Zeit über zu tragen“, regte sie an. „Nur wenn Sie bemerken, daß jemand argwöhnisch zu Ihnen hinschaut. Kommen Sie mit; ich stelle Sie ein paar Leuten vor.
Stürzen Sie sich ins Gespräch, und niemand wird Sie beachten. Ich lasse Sie mit Senator Donnan allein. Er ist schrecklich laut, aber ganz harmlos.“
Senator Donnan streckte seine tonnenförmige Brust auf beeindruckende Weise heraus. „Ich gebe eine unabhängige Zeitung heraus, Dr. Hallmarck“, sagte er zu Alar. „Ich sage, was ich will. Ich glaube, daß selbst Haze-Gaunt davor zurückscheut, mich mundtot zu machen. Ich falle den Leuten auf die Nerven. Ich werde gelesen, ob sie es wollen oder nicht.“
Alar betrachtete ihn neugierig. Die Geschichten, die er von dem Senator gehört hatte, hatten in ihm nicht den Eindruck erweckt, daß er ein Anwalt der Unterdrückten sei. „Wirklich?“ sagte er höflich.
Der Senator fuhr fort. „Ich bin dafür, die Sklaven so zu behandeln, als wären sie einst Menschen wie wir selbst gewesen. Sie haben auch ihre Rechte, müssen Sie wissen. Wenn man sie schlecht behandelt, sterben sie einem weg. Die Sklaven in meinen Druckereien pflegten sich über den Lärm zu beschweren. Ich habe ihnen Erleichterung verschafft.“
„Ich habe davon gehört, Senator. Sehr menschlich gehandelt. Sie haben ihnen die Trommelfelle herausoperieren lassen, nicht wahr?“
„Stimmt. Jetzt gibt es keine Beschwerden mehr, über gar nichts. Ha! Dort ist der alte Perkins, der internationale Bankier. Hallo, Perk! Darf ich Ihnen Professor Hallmarck vorstellen.“
Alar verbeugte sich, und Perkins nickte säuerlich.
Donnan lachte. „Ich habe sein Gesetz über den Uniformzwang von Sklaven im Sklavenkomitee des Senats zu Fall gebracht. Der alte Perk ist unrealistisch.“
„Die meisten von uns hielten Ihre Sklavengesetzvorlage für geradezu sensationell“, meinte Alar freundlich. „Die Regelung bezüglich der Verurteilung und des Verkaufs von säumigen Schuldnern interessierte mich besonders.“
„Ein vernünftiger Paragraph, Sir. Er würde die Straßen von Müßiggängern säubern.“
Donnan gluckste.
„Das will ich meinen. Perk kontrolliert mehr als achtzig Prozent der Kreditfinanzierung im Reich. Wenn so ein armer Teufel in den Ratenzahlungen um ein paar Unitas zurückbleibt: peng – und Perk hat einen Sklaven, der ein paar tausend Unitas wert ist, beinahe umsonst erhalten.“
Der Mund des Finanzmannes zog sich zusammen. „Ihre Behauptung, Senator, ist übertrieben. Allein schon die Rechtsgebühren …“ Er entfernte sich grollend.
Donnan schien aufs höchste amüsiert zu sein. „Heute sind alle möglichen Leute anwesend, Professor. Ach, jetzt wird es interessant. Juana-Maria, die Imperatrix, in ihrem Motorsessel, ihr rechts und links zur Seite Shimatsu, der Botschafter des Ostbundes, und Talbot, der toynbeeistische Historiker.“
Beim Näherkommen der drei schloß sich Alar der Gruppe mit einer tiefen Verbeugung an und betrachtete neugierig die nominelle Herrscherin der westlichen Welthälfte. Die Kaiserin war eine alte Frau mit kleinem und verwachsenem Körper, aber ihre Augen funkelten, und ihr Gesicht war trotz seiner Faltenlast quicklebendig und anziehend.
Es liefen Gerüchte um, daß Haze-Gaunt die Bombe in der kaiserlichen Kutsche hatte legen lassen, die den Kaiser und dessen drei Söhnen das Leben gekostet und die Imperatrix jahrelang ans Bett gefesselt und demzufolge unfähig gemacht hatte, gegen seine Kanzlerschaft ihr Veto einzulegen. Bis sie wieder imstande war, sich im Motorstuhl fortzubewegen, waren die Zügel des Imperiums ganz vom Hause Chatham-Perze in die verhärteten Handflächen des Bern Haze-Gaunt übergegangen.
„Guten Abend, meine Herren“, sagte Juana-Maria. „Wir haben heute Glück.“
„Wir sind immer beglückt, wenn wir in Eurer Nähe sein dürfen, Madame“, sagte Donnan mit ehrlichem Respekt.
„Ach, sei doch kein Dummkopf, Herbert. Ein wichtiger und gefährlicher Dieb, ein Professor Alar von der Universität – können Sie sich
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