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Der Mann schlaeft

Der Mann schlaeft

Titel: Der Mann schlaeft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Berg
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meiner Sprache zu reden weiß und Baupläne für ein Rettungs-Ufo verteilt. An irgendetwas erinnert mich das. An was nur, denke ich, bevor ich übergangslos auf den Boden kippe.

Damals.
Vor drei Monaten und ein paar Tagen.
    Jeden Morgen frühstückten wir in dem Café eines Chinesen, der vermutlich davon träumte, so etwas wie Starbucks zu gründen, mit seinen selbstgebackenen Muffins und wie all diese Teile heißen. Er stellte uns, ohne je gefragt zu haben, zwei Blaubeermuffins und Kaffee auf den Tisch. Wir beobachteten die Menschen, die auf die Fähre eilten, was mir immer ein Rätsel bleiben wird, dieses Sich noch mal Umdrehen, zehn unbequeme Minuten lang tun, als gäbe es die Welt nicht, und dann rennen müssen und Angst haben. Aber vielleicht brauchen viele das Adrenalin, sonst würden sie sich daheim unter den Tisch legen und warten.
    Wir hatten die ersten zwei Wochen eindeutig zu viel sehen wollen. Dass so etwas nicht gutgeht, ist einem aus dem Leben hinreichend bekannt.
    Wir hatten zehn Inseln besichtigt, die zu einer zusammenflossen, Fahrräder, träge Chinesen, angespülte westliche Menschen mit zu braunen Gesichtern und zu irren Augen, als dass man sie hätte ernst nehmen können. Wir waren durch Hongkong gefahren, gelaufen, hatten Cafés und Restaurants gesehen, Vögel und Blumenmärkte, Rennbahnen und Grün, Menschen und Fußschmerz, Aufregung und Berge und Jacky Chan. Dann stellten wir die Betriebsamkeit ein und begannen unseren Tag im Café. Meist gingen wir danach über die Insel, ein Weg mit Betonplatten, wie die alten Autobahnen, ob der Führer hier gewesen war? Das tropische Zeug versuchte denBeton zu verschlingen, aber einen Führer verschlingt man nicht zum Frühstück. Am Strand, wo der Betonweg endete, packten wir eine Strandmatte aus und meine silberne Thermostasse, in der ich Tee transportierte, wir legten wichtige Bücher in den Sand. Nach wenigen Zeilen waren wir jedoch abgelenkt durch den Himmel, der so weich auf uns fiel, durch das Meer, das tat, als sei es ein Eichhörnchen, durch die kleinen Paare, die sich so ähnelten und Drachen steigen ließen. Mittags aßen wir Nudelsuppe im immergleichen Restaurant neben dem Strand, und ich war froh, dass der Mann nicht kompliziert war und nicht jeden Tag ein neues Restaurant ausprobieren musste, das ihm dann doch nicht zusagte, leise dankte ich mir, dass ich so weise gewesen war, im rechten Moment eine gute Entscheidung zu treffen. Nicht nach dem zu suchen, was uns französische Filme zeigten, Begierde, nächtelange Diskussionen über Gefühle, um die Leidenschaft wieder zu beleben, Geschlechtsverkehr unter regennassen Laternen, Leiden, viel, viel Leiden und am Ende schweigendes Sitzen in einer französischen Küche, dann steht einer auf und geht, ohne die Tür zu schließen. Diese große verständliche Unmöglichkeit, Liebe als das zu beschreiben, was sie im guten Falle ist und was ausschließlich mit Bären in Höhlen zu tun hat.
    Nach der Suppe lagen wir wieder am Strand oder machten träge kleine Spaziergänge.
    Manchmal fiel ein seltsamer Regen, nie laut, er legte sich wie Dampf auf Menschen und Häuser, machte die Wege glänzend und die Geräusche von Vögeln, die man nie sah, lauter, weil es hallte in der Feuchtigkeit. Später kauften wir uns unbekannte chinesische Produkte, die vielleicht Seetang waren,und gingen in unserer Wohnung zu Bett. Lasen, lauschten den Geräuschen von draußen und beobachteten die Wohnung gegenüber. Die Gasse war sehr schmal, und wir kannten bald jedes Detail der Wohnung, deren Hauptbestandteile eine dicke Frau und ihr halbdicker Mann waren. Die Frau trug ständig ein schwarzes Strickjäckchen und ging, soweit wir in Erfahrung gebracht hatten, einmal in der Woche zum Friseur, wo sie ihren unattraktiven chinesischen Kurzhaarschnitt in Form hielt.
    Sie arbeitete unentwegt und wie es aussah, war der Friseurbesuch, der frei von jedem Glamour schien, der Höhepunkt ihrer Woche. Am Morgen verließ der Mann das Haus zu einer Stunde, da wir noch schliefen, er kam später in Ölzeug heim, was die Vermutung nahelegte, er sei Fischer. Die Frau war schon lange auf, wenn wir erwachten, sie hatte entweder Wäsche auf den Balkon gehängt, kochte etwas oder saß an der Nähmaschine. Jeden Tag gegen fünf kam der Mann heim und machte alles falsch, er lief mit den Gummistiefeln in die Wohnung, setzte sich im Ölzeug an den Tisch, ließ etwas fallen oder tropfte, und dann ging der Ärger los. Jeden Tag ab fünf schalt die Frau

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