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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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willst du? Es sind Rhapsoden.«
»Dann wären Rhapsoden sinn- und nutzlos in unserer Gesellschaft? Nein, nein, nein!«
Der Menschenkundler zeigte das freundliche Lächeln, das sein Dienst von ihm verlangte. »Miß den Reichtum unserer Gesellschaft daran, daß wir sie nicht nur gewähren lassen, sondern obendrein ermuntern. Aber es sind nicht alle so. Du siehst es ihnen von außen nicht an. Nimm mich, nebendienstlich bin ich Rhapsode.«
Der Klärer sog tief die ozonisierte Luft seines Dienstraumes ein, ließ die Nasenflügel beben und setzte sich mit betonter Gelassenheit. »Dann allerdings«, sagte er. »Nur die Frauen hast du vergessen. Was hat’s in deiner Vorstellung mit den beiden Frauen auf sich?«
»Nun ja«, der Menschenkundler hob die Arme, »Rhapsoden pflegen ihren Nimbus. Frauen lieben Männer mit Nimbus.«
»Solche Frauen hat es nie gegeben. Nicht einmal im Früher, als die Frauen noch zu den Männern aufblickten. Der Fall, den ich zu klären habe, ist, was die Frauen betrifft, ein Fall heißer Liebe. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand.«
Der Menschenkundler verstärkte sein Lächeln. »Merkwürdig, daß du nicht selbst darauf kommst. Wäre es heiße Liebe, hätten die Frauen unter der Isolierung ihrer Gefährten gelitten. Und wer aus Liebe leidet, ist zu Taten für den andern fähig. Die eine der Frauen ist, wie wir inzwischen wissen, Verkosterin. Sie hat die braunen Duftkrümelchen besorgt. Die andere ist Archibildnerin. Sie hat bei der Rekonstruktion alter Gebäude ständig mit alten Papieren zu tun. Und es war ihr ein leichtes, den Papierabriß zu beschaffen. Das sind nicht Taten für den anderen, sondern mit ihm. Kumpanei statt Liebe.«
Der Klärer schlug ein Bein über das andere. Ein bewährtes Mittel, wenn er versucht war, empört aufzuspringen, und er zählte vorsichtshalber noch bis zehn, bevor er den Mund auftat. »Du machst es dir verdammt einfach. Fakten, mein Lieber. Ich brauche Fakten.«
»Habe ich denn anderes als Fakten miteinander verbunden?« Wieder hob der Menschenkundler seine Arme gen Himmel. »Es war eine mögliche Kombination von Fakten. Mehr nicht. Eine mögliche.«
Der Klärer räusperte sich. »Die Fakten hat der Computer. Wenn es sie gibt, dann hat er sie. Nur Phantasie, die hat er nicht.« Er nahm die Karten mit den Koordinaten der vier Personen, gab sie in den Einlauf des Computers und drückte die Taste »Meldungen merkwürdiger Art«.
Die Sichtwand leuchtete fahl auf. Nach dem üblichen Geflimmer, das beiden heute besonders lang vorkam, erschien endlich die erste Meldung. Sie besagte über den einen Rhapsoden, daß er sich vor drei Jahren in den Händen der Menschenkundler befunden hatte, und nannte als Ursache der damaligen Unregelmäßigkeit: »Unmäßige Eßlust mit beginnender Fettleibigkeit.«
»Da sieh doch einer an, er war bei meinen Kollegen!« Der Menschenkundler sagte es mit Genugtuung. »Ein sehr interessanter Fakt. Und was sagt dein elektronisches Monstrum über den anderen? Darf ich mal?« Er hatte bereits die Hand auf der Taste.
Über den anderen Rhapsoden lag ein »Antrag merkwürdiger Art« vor. Er besagte, daß der sich vor längerem eine Schrankwand im Stil der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts bestellt hatte, die »mit Schwarten vollgestopft« sein sollte.
Die beiden sahen sich an. Sie wußten nicht, was Schwarten sind. Also fragten sie beim zentralen Wortarchiv nach und erfuhren:
»Schwarte. Registriert unter drei Bedeutungen.
Erstens: die schwer eßbare Haut der Schweine, als Menschen noch Naturfleisch zur Nahrung nutzten.
Zweitens: getroffener Körperteil, sofern er krachte, als Menschen noch tätlich gegeneinander wurden.
Drittens: Synonym für altes Buch. Heute nur noch in Rhapsodenkreisen gebräuchlich.«
Der Klärer nickte bedeutungsvoll. »Das wird der mit der Archibildnerin als Gefährtin sein.«
»Ein Fakt oder ein Produkt deiner Phantasie?« fragte der Menschenkundler, und der Klärer drückte daraufhin wahllos einige Tasten. Doch nicht einmal der Zufall konnte dem Speicher weitere Fakten entlocken. Es gab keine Meldungen über die vier Personen, aus denen man hätte Schlüsse ziehen können.
»Fassen wir zusammen«, begann der Klärer. »Wir wissen von der Vorliebe des einen für alte Bücher und der Vorliebe des anderen für unmäßiges Essen. Die Heilfritzen haben eine starke Durchblutung der Magengegend nachgewiesen und Schwellungen ertastet, wie sie im allgemeinen nach dem Essen zu beobachten sind. Nun wird aber

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