Der Marathon-Killer: Thriller
Ticket in der Hand hatte.
Die Türen waren geschlossen, und der Musikant blieb in der Bahn.
»Lehrbuch«, sagte Spiro.
»Einheit drei nähert sich«, murmelte Carter und beobachtete den Bildschirm.
»Erinnert mich an meine erste Überwachung in London«, sagte Spiro. »Der Russe saß vorn im letzten Wagen einer U-Bahn. Als der Zug Charing Cross, Northern Line, erreichte, stieg der Russe aus, kurz bevor sich die Bahn wieder in Bewegung setzte. Ich wollte ihm folgen, aber in Charing Cross öffnen sich die hinteren Türen nicht. Wahrscheinlich war ich der einzige Spion in London, der das nicht wusste. Ich könnte schwören, der Kerl hat gewinkt, als der Zug an ihm vorbeifuhr.«
»Sir, Ziel ist wieder in Bewegung«, sagte einer der jüngeren Agenten. »Steigt in die 24 ein, Richtung stadtauswärts.«
»Bleiben Sie an ihm dran«, erwiderte Carter. »Diese Jungs nehmen sich manchmal den ganzen Tag Zeit, um Verfolger abzuhängen.«
Prentice war tatsächlich dafür bekannt, einmal vierundzwanzig Stunden mit der Abschüttlung von Verfolgern verbracht zu haben, doch heute konnte er sich diesen Luxus nicht leisten. Stattdessen nahm er die Straßenbahn zum Hauptbahnhof, stieg an der Ecke Jerozolimskie und Jana Pawla II aus. Die nächsten zehn Minuten waren entscheidend. Er ging am Bahnhofseingang vorbei und weiter in Richtung Złote Tarasy, dem neuesten einer ganzen Reihe von Einkaufszentren, die in den letzten Jahren in der Hauptstadt aus dem Boden geschossen waren. Prentice wusste, wie gern die Warschauer shoppen gingen, aber selbst ihn überraschten der Luxus und die vielen vertrauten westlichen Markennamen. Er hätte genauso gut in der Bluewater Mall bei London sein können.
Er ging auf die Rolltreppe zu, die ihn ins Untergeschoss brachte. Unten bewegte er sich zielstrebig zur nächsten Rolltreppe, mit der er wieder nach oben fuhr, und beobachtete die erste, die er gerade noch benutzt hatte. Die Amerikaner würden darauf nicht hereinfallen, aber man musste schließlich den Schein wahren. Die Beobachter der CIA hatten sich nie die Mühe gemacht, die Maßnahmen zu studieren, mit denen man beim MI6 unerwünschte Verfolger abhängte, und es bereitete ihm großen Spaß, ihre Erwartungen klein zu halten.
Nachdem er auf die Uhr gesehen hatte, ging er in ein Café im Erdgeschoss, bestellte einen schwarzen Kaffee, setzte sich an einen kleinen Ecktisch und blätterte in der International Herald Tribune , die er sich vom Tresen mitgenommen hatte. Der Tisch lag ein wenig abseits, und der Platz ihm gegenüber war frei.
Einige Minuten beschäftigte er sich mit der Zeitungslektüre und konzentrierte sich dabei wirklich auf die Artikel, anstatt nur so zu tun, als würde er sie lesen. Seine eigenen Agenten ermahnte er stets, dass die wirklich guten Überwachungsspezialisten darin ausgebildet waren, Augenbewegungen zu erkennen. Das Vibrieren seines Handys unterbrach ihn in einem Artikel über belgische Bierpreise. Prentice griff in die Jackentasche und las die Nachricht.
»Jetzt geht’s los«, sagte Spiro. »An alle Einheiten, ich will, dass Daniel Marchant zu mir gebracht wird, sobald er auftaucht. Und zwar lebendig.«
24
Keine zehn Kilometer südwestlich des Einkaufszentrums saß Daniel Marchant ebenfalls vor einem schwarzen Kaffee. Monika trank Pfefferminztee aus einem hohen Glas und trug einen verwaschenen Salwar Kamiz , ein für den Subkontinent typisches Gewand. Einen großen Rucksack mit vielen Aufklebern hatte sie neben sich abgestellt. Der Abflugbereich von Terminal eins des Frédéric-Chopin-Flughafens war überfüllt, und sie hatten Glück gehabt, den Platz in diesem Café zu bekommen. Monika schien hier alle zu kennen, und nach einem kurzen Schwätzchen hatte einer der Baristas das Reservierungsschild von dem Ecktisch genommen.
Falls Marchant einen Platz gesucht hätte, von dem aus er möglichst unbemerkt die gesamte Abflughalle überblicken konnte, so wäre dieser Tisch vermutlich seine erste Wahl gewesen. Mit dem Rücken saßen sie zu einer Wand, sodass sich von hinten niemand unbemerkt an sie heranschleichen konnte, der Sitzbereich war etwas erhöht, und gleich neben ihnen befand sich der Ausgang zur Straße. Wer die Abflughalle betrat, musste an ihnen vorbei und war leicht zu beobachten.
Genau deswegen fühlte er sich zu Monika hingezogen, denn es bestätigte, was er längst vermutet hatte: Sie war ebenfalls eine Geheimagentin und gehörte höchstwahrscheinlich
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