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Der Marathon-Killer: Thriller

Titel: Der Marathon-Killer: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Stock , Andreas Helweg
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Ort zu verschieben, wo es die für einen Spion typischen Gewissenswächter in ihre Obhut nahmen: Wenn du in der Lüge existierst, erwarte, betrogen zu werden. So wie er sie gewarnt hatte.
    Die seltenen Momente, in denen sie sich geöffnet hatte, konnte sie damit rechtfertigen, dass ihre scheinbare Ehrlichkeit trotz der Lügen eine wichtige Rolle gespielt hatte. Das Wohl ihrer Mutter hatte für sie stets Vorrang gehabt. Sie wünschte sich nur, man hätte sie gebeten, sich an jemand anderes heranzumachen, nicht an jemanden, bei dem sie ständig dagegen ankämpfen musste, sich in ihn zu verlieben.
    Früher am Tag war sie nach einem Begrüßungstreffen mit ihren neuen Kollegen vom Botschaftsgelände geschlichen und durch die vierzig Grad Hitze des Maivormittags zu einem Taxistand gegangen. Als sie in der Morgendämmerung
vom Flughafen in die Stadt gefahren war, hatte sie dort eine Telefonzelle gesehen. Während sie die Nummer in Teheran wählte, betrachtete sie die Taxifahrer, die auf einfachen geflochtenen Charpoys im Schatten eines großen Leinwandbaldachins lagen und All India Radio hörten, das plärrend aus einem der Wagen dröhnte.
    »Mama«, begann sie. Die Leitung war schlecht. »Ich bin es, Leila. Bald wird alles besser werden.«
    Aber nicht ihre Mutter antwortete. »Ihre Mutter ist im Krankenhaus«, sagte ein Mann in Farsi. Leila schnürte es die Kehle zu. Im vergangenen Jahr war ihre Mutter immer wieder in das Mehr-Hospital eingeliefert worden, ein privates Krankenhaus in Teheran, und die Amerikaner hatten für ihre Behandlung bezahlt. Jedes Mal hatten die Ärzte sie auf das Schlimmste vorbereitet. Für gewöhnlich hatte allerdings die Nachbarin eine SMS geschickt, wenn ihre Mutter wieder eingeliefert worden war.
    »Wer spricht da?«, fragte sie. Die Stimme klang vertraut.
    »Ein Freund der Familie«, sagte der Mann. Im Hintergrund hörte sie andere männliche Stimmen. »Sie ist wohlauf und wird, inschallah , die beste Behandlung bekommen, die für Dollars zu haben ist.« Der Hohn war schlecht verhehlt, die Worte waren an die anderen Anwesenden im Raum gerichtet.
    »Ich will, dass man sich gut um sie kümmert , das war die Abmachung«, sagte Leila und bemühte sich, die Stimme nicht zu heben. Ein Mann vor der Telefonzelle blickte sie an. Sie wusste, eigentlich hätte sie am Bett ihrer Mutter sitzen sollen, aber das war unmöglich.
    »Ich werde ihr ausrichten, dass Sie angerufen haben«,
sagte die Stimme und zögerte dann. »Und dass ihre Gesundheit in Ihren Händen liegt.«
    Die Sonne stand im Zenit, als sie sich auf den Rückweg zur Botschaft machte. Irgendwo schlug ein Nussverkäufer, der jedoch nicht zu sehen war, mit dem Löffel rhythmisch an seine Röstpfanne. Selbst die Verkehrspolizisten an der Kreuzung nahe der Botschaft hatten sich in den Schatten verkrochen, wo sie auf wackeligen Holzstühlen dösten. Trockene Hitze hatte ihr nie etwas ausgemacht. Irgendwie fühlte sie sich ihrer Mutter dann näher, und das Gefühl brauchte sie jetzt dringender als je zuvor.
    Sie war gerade neun geworden, als ihr das erste Mal aufgefallen war, dass es zwischen ihren Eltern nicht gut lief. Sie lebten in einer Ausländersiedlung in Dubai, wo ihr Vater arbeitete, und er war wie so oft spät nach Hause gekommen. Aber dieses Mal war sie noch wach. Es hatte ein Problem mit der Elektrizität in ihrem Wohnblock gegeben - der Strom reichte nicht für die Klimaanlage, und in der plötzlichen Hitze war sie aufgewacht. Einer der Dienstboten hatte einen alten Ventilator in ihr Zimmer gestellt, und sie war wie hypnotisiert gewesen von den drehenden Bewegungen des Geräts. Doch über das Surren hinweg nahm sie plötzlich das Geschrei wahr, das von unten heraufhallte, das lauter und lauter wurde und schließlich in einem Türknallen und Stille endete.
    Sie fand ihre Mutter auf dem Boden vor, wo ihr das indische Dienstmädchen ein blutiges Tuch an die Stirn drückte. Ihre Mutter lächelte schwach, als sie Leila bemerkte, doch das Dienstmädchen schickte sie verärgert mit einer Kopfbewegung wieder nach oben.

    »Ist schon in Ordnung«, hatte ihre Mutter gesagt und Leila zu sich gewinkt. Zögerlich ging sie durch die Küche und setzte sich neben ihre Mutter. Das Dienstmädchen beobachtete sie besorgt. »Ist alles in Ordnung«, wiederholte ihre Mutter und legte zitternd den Arm um Leila, während das Dienstmädchen sich zurückzog.
    Sie hockten fast die ganze Nacht in der Hitze auf dem Marmorfußboden, immer wieder flackerte das trübe

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