Der Marquis schreibt einen unerhörten Brief
Bautista. Und ich versichere Ihnen, daß der Herr Graf, wenn Sie nur den richtigen Ton treffen, kaum zu atmen wagen wird, während er Ihnen zuhört. Vielleicht wird er Sie schaudernd fragen: »Welche Stadt war das?« Sie geben sich jedoch keine Blöße. »Die Stadt«, antworten Sie, ohne einen Namen zu nennen. Denn letztendlich können diese Blutegel in jeder beliebigen Stadt auftreten. Tatsächlich sind sie schon in vielen aufgetreten. »Damit will ich Ihnen sagen«, ergänzen Sie zusammenfassend, »daß der Herr Marquis eine Menge Gründe hatte, der Welt zu entsagen, sich in sein Schloß zurückzuziehen und sich den Anblick von soviel Unbill zu ersparen.« Wenn Sie ihm all das sagen, Bautista, werden Sie mich in einem guten Licht erscheinen lassen. Ich sehe Don Demetrio geradezu vor mir, wie er Sie voll Bewunderung anschaut, weil Sie würdig sind, einem Menschen meiner moralischen Integrität zu dienen. Tief beeindruckt durch die Parabel der Blutegel, wird er die Lektüre des Briefes mit frischer Begeisterung wiederaufnehmen. Was aber erwartet ihn, nach meiner Frage über die Frösche? Ich kann mich nicht gut erinnern, Bautista, aber ich glaube, daß ich mir von da an nicht einmal mehr die Mühe gemacht habe, mein Gekritzel in irgendeine Ordnung zu bringen. Ich habe mich darauf beschränkt, die Wörter aufs Geratewohl aneinanderzureihen, wie sie mir in den Sinn kamen, ohne mich an irgendeine syntaktische Regel zu halten. Garantieren kann ich Ihnen jedoch – wenn es mich auch schmerzt, Ihnen das sagen zu müssen daß er zwei Minuten, nachdem er die Lektüre wiederaufgenommen hat, erneut zutiefst irritiert sein wird. Was kann dann geschehen? Wir wollen genau sein und die Tatsachen in eine chronologische Reihenfolge bringen. Erstens: Don Demetrio findet seine ganze schlechte Laune wieder, wenn er feststellen muß, daß die Schwierigkeiten des Briefes nach der Frage über die Frösche nicht etwa geringer werden, sondern sich noch vermehren. Zweitens: Er richtet einen zornigen Blick auf Sie, den unseligen Briefträger, und schickt sich an, seine ganze Wut an Ihnen auszulassen. Drittens: Er hebt die siebenschwänzige Peitsche über Ihren Kopf. Viertens: Wenn sein Blick zu Boden fällt, entdeckt er die beiden Frösche, die Sie gerade freigelassen haben. Die Frage, der wir uns jetzt gegenübersehen, ist folgende: Können die Frösche, die, wie wir zuvor gesehen haben, für Don Demetrio nicht fundamental sind, ihm die verlorene gute Laune wiederbringen? Werden sie genügen, um ihn zu bewegen, die Peitsche zu senken? Kann, was wir nicht als fundamental erachten, uns etwa Friedlichkeit und Fröhlichkeit zurückbringen? Auch in diesem Fall ist Vorsicht geboten. Geben wir auch jetzt keine voreilige Antwort, ohne zuvor alles bedacht zu haben. Hier sind zwei Überlegungen möglich. Erstens: Die Frösche sind nicht fundamental, aber doch bedeutend genug, um dem Herrn Grafen seine Gemütsruhe zurückzugeben. Zweitens: Die Frösche sind nicht fundamental, wohl aber ihre grüne Farbe. Damit kehren wir wieder, wie Sie sehen, zum Ausgangspunkt zurück: die Frösche, die Sie fangen, müssen grün sein. Sie wären uns zu nichts nütze, wenn sie nicht grün wären. Im Grunde genommen erscheinen mir die Frösche jetzt gar nicht mehr als unverzichtbar. Wir könnten jedes andere Tier oder Ding zu Hilfe nehmen, wenn es nur grün ist. Wir könnten zum Beispiel eine Henne nehmen. Ja, ja, ich weiß schon, Sie brauchen es mir nicht zu sagen. Es gibt keine grünen Hennen. Und gäbe es sie, dann könnten Sie sie nicht in die Tasche stecken. Sie sind auch nicht die geeignetsten Tiere, um in den vergoldeten Salons eines Schlosses losgelassen zu werden. Grübeln wir also nicht weiter darüber nach und lassen wir es bei den Fröschen bewenden. Kehren wir zur Sache zurück. Verlieren wir nicht unsere Zeit damit, die Reaktionen eines Mannes vorauszusehen, auf den im gegebenen Augenblick eine Unzahl unvorhersehbarer Kräfte einwirken können. Logik ist gut, wenn es um Argumentationen geht, im Leben kann sie uns jedoch in die Irre führen, denn das Leben ist wie ein Krug mit zwei Henkeln. Begnügen wir uns also mit den Fröschen, denn besser ein gewohntes Übel als eine trügerische Hoffnung. Das Schlimmste ist, Bautista, daß mit den Fröschen ja nicht alles getan ist. Da gibt es Probleme, die wir bislang noch gar nicht in Betracht gezogen haben. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Don Demetrio hat Sie, ausgestreckt auf seinem Kanapee, empfangen. Er nimmt
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