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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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zurückgeworfenem Kopf, einmal mit entblößtem Oberkörper. Ursula wagte nicht zu fragen, wer die Frau war. Da sagte er: «Antje. Auf Java erhielt sie den Namen Candra Kirana.» Er hustete, schluckte, stieß einen Seufzer aus und begann zu erzählen. Sie stand nah bei ihm, sie roch seine Haut, leicht hätte sie ihn berühren können. Nach langer Fahrt, verspätet durch einen Maschinenschaden auf offener See, legte das Schiff im Hafen von Batavia an. Zusammen mit Dr. Holzer, dem Arzt, ging er von Bord. «So viel für heute. Vielleicht erzähle ich dir ein andermal mehr.»
    Erst stockend, dann immer ausführlicher sprach Bernhard überseine Zeichnungen, schilderte die Situationen, in denen sie entstanden waren, und was ihn gerade an dieser Figur, an dieser Straßenszene oder diesem Landschaftsausschnitt gereizt hatte. Er sah seine Bilder mit neuen Augen, und was er sah, war vorzeigbar, gefiel ihm so gut, dass er Lust bekam, es noch einmal zu versuchen. An einem schulfreien Tag, als Katrin mit Maria und Manfred auf einer Kirmes war, erwartete er Ursula mit Zeichenblock und Aquarellfarben.
    Erst führte er sie in den Garten und stellte sie vor die Hecke mit Rankrosen, setzte sie in den Leiterwagen mit der gebrochenen Deichsel und wollte, dass sie den Arm um eine Buchskugel legte, als wäre das der alte Ugo. Er malte schnell, deutete die Blumen, den Wagen und den Hund nur an, konzentrierte sich ganz auf sie, ihre Haltung, den Ausdruck ihrer Augen, blätterte weiter, begann von Neuem aus einem anderen Blickwinkel. Ursula spürte die auf sie gerichtete Aufmerksamkeit, noch nie war sie so der Mittelpunkt gewesen. Sie zupfte die Ärmel ihrer Bluse und die Falten des Rockes zurecht, sie wollte schön sein auf den Bildern. Wenn er mit ihr zufrieden war, würde er sie noch einmal malen.
    Dazu kam es am übernächsten Tag. Auf dem Esstisch lagen die Bilder. «Schau sie dir an!», sagte Bernhard. Auf einem Tablett klirrten Tassen, er hatte Tee gekocht. Ursula war unsicher: Die Farben gefielen ihr, aber keines der Bilder war richtig zu Ende gemalt, auch hatte sich durch das Wasser das Papier gewellt. Das war wahrscheinlich nur ein Versuch, wenn Bernhard Zeit hätte, würde er weitermalen und ordentliche Bilder daraus machen. Aber was sie da sah, das war sie. Die an ihren Enden gekräuselten Haare, der leicht schräge Stand der Augen, der trotzig geneigte Kopf, die hängenden Schultern, ja, das war sie. Jetzt lächelte sie.
    «Heute gehen wir nicht nach draußen. Es ist zu kalt», sagte Bernhard. «Ich würde gerne etwas anderes ausprobieren, nämlich, dich als Akt zu zeichnen.» Und als er sah, dass sie nicht verstand, was er meinte: «Akt, das heißt ohne Kleider. Während du dich ausziehst,hole ich die Staffelei.» Ursula dachte, sie hätte nicht richtig gehört. Ohne Kleider? Dann sah man doch alles! Ihre Arme waren zu lang, an den Hüften standen die Knochen raus, und zwischen den Beinen wuchsen ein paar hässliche Haare. Das würden keine schönen Bilder werden, der Gedanke gefiel ihr nicht.
    «Ursula.» Er nannte sie zum ersten Mal beim Namen. «Komm, zieh dich aus! Vor mir brauchst du dich doch nicht zu genieren.»
    Die Schuhe und Strümpfe, auch die Bluse und das Kleid – das ging leicht. Sie legte alles ordentlich auf einen Stuhl. Dann stand sie mitten im Zimmer und wusste nicht weiter. Er war hinter ihr: «Ich helfe dir», sagte er und zog ihr das Unterhemd über den Kopf. «Den Rest schaffst du allein.» Ursula stellte sich vor, sie wäre im Bad. Vorm Duschen war es ganz normal, sich auszuziehen. Auch die Unterhose.
    Bernhard malte mit Kohlestiften. Die Striche wurden sicherer, schwungvoller. Er hob einzelne Partien dieses sperrigen, noch kindlichen Körpers hervor. Verspannt stand sie vorm Kamin, in der Hüfte leicht gedreht, wie er es gewollt hatte. Er bat sie, sich auf die Zehenspitzen zu stellen und dann auf die Fußsohlen zurückfallen zu lassen. Auf und ab, mehrfach, bis die Haltung sich lockerte. Als er ihr einen farbigen Schleier um die Schultern legte, geschah das Wunder: Aus der Gliederpuppe wurde ein Mädchen. Sie faltete den durchsichtigen Stoff so, dass er nicht zu viel verdeckte. Jetzt gefiel es ihr, dass Bernhard sie betrachtete. In immer neuen Stellungen zeichnete er sie: auf dem Teppich liegend, mit einem Apfel spielend, auf einem Schemel kauernd mit hochgezogenen Knien, im Ohrensessel ein Buch lesend. Als er wollte, dass sie ein Bein über die Lehne legte, machte sie es, ohne sich etwas dabei zu

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