Der maskierte Tod
einer Theaternacht mitten in Covent Garden gewesen wären, wäre ich nicht in der Lage gewesen, mich zurückzuhalten. In einem letzten Aufbäumen, meiner Gier nach Blut nachgebend, stürzte ich mich auf ihn.
Instinkt ist eine merkwürdige Sache. Einen Großteil der Zeit ignorieren wir ihn, aber in gewissen extremen Momenten kann er die Herrschaft über uns gewinnen und uns veranlassen, um des Überlebens willen außergewöhnliche Dinge zu tun, welche wir andernfalls niemals in Erwägung ziehen würden. Wäre ich bei Sinnen gewesen, hätte ich gewusst, dass es unmöglich war, Arthur so anzugreifen, wie ich es tat. Und ich wäre auch nicht imstande gewesen, ihn bewusstlos zu schlagen, sein Halstuch fortzureißen und ihm in den Hals zu beißen, wie ich es tat.
Aber andererseits ... war ich nicht bei Sinnen.
Ich war verletzt und hungrig und verängstigt und verzweifelt, und er war mein Feind.
Das Zeug strömte in meinen Mund, und ich hatte den ersten Schluck genommen, bevor es mir überhaupt bewusst war. Dies war kein gemächliches Trinken, um mich zu erfrischen, sondern ein verzweifeltes Schlingen, bei dem es um die nackte Existenz ging. Ich trank in tiefen Zügen, ohne es zu genießen, mir kaum einer anderen Sache bewusst als der überwältigenden Notwendigkeit, zu trinken, bis der Schmerz aufhörte und der riesige Hohlraum in mir gefüllt war.
Ich erwachte aus diesem Rausch so rasch, wie ich ihm erlegen war. In der einen Sekunde war ich noch ein unbeseeltes Ding gewesen, welches von roher Begierde und Trieb geleitet wurde, in der nächsten war ich wieder ein Mann, dem plötzlich bewusst wurde, was er tat.
Lieber Gott, ich tötete ihn.
Ich riss mich los. Blut auf meinen Lippen. Blut sickerte aus den Wunden in seinem Hals.
Er war totenbleich und sehr still, aber ich legte ein Ohr auf seine Brust und bemerkte einen unruhigen Herzschlag. Es schlug viel zu schnell, dachte ich, als dass es gut sein konnte, aber so lange er noch am Leben war ... In Wirklichkeit war ich weniger beunruhigt über die Aussicht seines Todes, als über die Möglichkeit, dass ich dessen beschuldigt wurde. War dies gefühllos? Vielleicht, aber ich legte mehr Wert darauf, meine eigene Haut zu schützen, und es wäre eine verdammte Schande, wenn ich in Tyburn wegen Leuten wie ihm erhängt würde.
Ich kam wieder auf die Beine und erhob mich. Das schreckliche Schwindelgefühl wurde schwächer. Das Brennen in meinem Arm ließ kontinuierlich nach. Ich hätte nachsehen können, wie weit der Heilungsprozess fortgeschritten war, entschloss mich aber, mir diesen Anblick zu ersparen. Stattdessen schloss ich meine Augen, konzentrierte mich und spürte erleichtert, wie ich mich langsam aufzulösen begann.
Kein Brennen. Überhaupt kein Schmerz mehr. Ich spürte, wie der Wind mich umwehte, sonst nichts. Wie verlockend wäre es, mich von ihm hinwegtragen zu lassen, durch den Wald, weit fort von diesem Ort und den Unannehmlichkeiten, die mit ihm verbunden waren. So wunderbar süß und verlockend.
Aber es wäre nicht das Beste, was ich tun konnte, insbesondere für Arthur.
Ob es mir gefiel oder nicht, ich würde mich um ihn kümmern müssen, was bedeutete, dass ich wieder Form annehmen und entscheiden musste, wie ich mit der Angelegenheit am besten umginge.
Das nächste Mal, dass ich den Wind spürte, schien er so kraftvoll wie ich selbst zu sein. Er ergriff meinen Umhang, als wolle er ihn von meinen Schultern wehen. Ich griff nach den Enden und zog ihn fest zusammen. Mit beiden Händen. Nun wagte ich einen Blick auf die Wunde und sah, dass sie nur noch eine dicke, rote Narbe etwa in der Mitte meines Armes war, welche sich unter meiner Berührung wund anfühlte, aber dies war zu ertragen. Insgesamt fühlte ich mich noch immer sehr zittrig. Das Blut hatte mich gerettet, aber ein großer Teil seiner Wirkung war für meine Heilung verwendet worden. Ich würde noch mehr benötigen, bevor die Nacht vorüber war, und dieses Mal von einer Quelle, welche es im Überfluss besaß und einiges davon erübrigen konnte. Ein kleiner Abstecher zu den Fonteyn-Ställen war angebracht, aber zuvor musste ich entscheiden, was mit Arthur Tyne geschehen sollte.
Hier draußen würde er erfrieren. Er brauchte Wärme und Fürsorge, auch wenn nur Gott allein wusste, was Oliver für ihn tun konnte. Ich zuckte beim Gedanken an Oliver zusammen und daran, dass ich versuchen musste, dies zu erklären. Elizabeth würde es verstehen, aber immerhin hatte sie auch sehr viel mehr Zeit
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