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Der maskierte Tod

Der maskierte Tod

Titel: Der maskierte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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zuliebe. Die Vorhänge waren nur teilweise vorgezogen, und das graue Licht, welches durch sie hindurchdrang, war kaum der Erwähnung wert. Der Kamin war leer, wodurch der Raum kalt und klamm wirkte. Eine Aristotelesbüste – oder vielleicht war es auch einer der Cäsaren – lächelte vorsichtig vom Kaminsims herab. Dies war der freundlichste Ausdruck, den ich bisher unter den Kunstschätzen des Hauses entdeckt hatte.
    »Es ist genau die Art eines friedlichen Raumes, welche man ab und zu benötigt, wenn das Leben zu bedrückend wird«, fuhr sie fort.
    »In der Tat.« Da sie offensichtlich so abgelenkt war von dem – äh – Reiz des Ortes, schloss ich, dass sie kein Interesse daran hatte, den Rest meiner Geschichte zu hören. Also wäre es wohl jetzt an der Zeit, mich zu verabschieden und auf die Suche nach Radcliff zu begeben, aber bevor ich entkommen konnte, ergriff sie erneut meinen Arm.
    »Wissen Sie, Sie entsprechen überhaupt nicht den Erwartungen, welche Therese in uns geweckt hatte.«
    Großer Gott, was hatte Tante Fonteyn ihnen bloß erzählt? Trotz meiner guten Leistungen in Cambridge hatte sie die vorgefasste Meinung, welche sie sich aus den Briefen meiner Mutter gebildet hatte, nicht aufgegeben, was also...?
    »Ich dachte, Sie seien irgendein schrecklicher, ungeschlachter Bauer, und stattdessen treffe ich auf einen sehr gut aussehenden und gebildeten jungen Herrn mit perfekten Manieren und einem würdevollen Auftreten.«
    »Äh ... hm, vielen Dank. Sie sind sehr freundlich.« Sie manövrierte sich direkt vor mich, und ich konnte nicht anders, als ihr in die leuchtenden Augen zu sehen. Es ist erstaunlich, wie viel man in einem einzigen durchdringenden Blick lesen kann. Sie sorgte dafür, dass ich an meinem Platz verharrte, bis ich, so plötzlich, wie die Sonne durch eine besonders dicke Wolke dringt, ihre Absicht erkannte.
    Zuerst war ich ungläubig, dann erfüllt von Zweifeln, dann schockiert, und dann auf eine seltsame Weise interessiert. Das Interesse wurde abrupt durch einen besorgten Gedanken an Nora gedämpft. Was würde sie darüber denken?
    Ich schwankte und überlegte, und dann kamen mir ihre Worte in den Sinn, dass sie jede Form der Eifersucht verabscheute. Sie schien denjenigen ihrer Höflinge keine negativen Gefühle entgegenzubringen, welche auch andere Frauen trafen. Wenn ich annahm, dass die Prinzipien, welche sie uns abverlangte, auch auf sie zutrafen, dann besaß ich gewiss die Freiheit, zu handeln, wie es mir beliebte. Andererseits war ich – waren wir – füreinander etwas Besonderes. In der Zeit, welche wir zusammen verbrachten, hatte sie mit keinem anderen Mann geschlafen, ebenso wenig wie ich mit einer anderen Frau, wobei ich zugegebenermaßen innerhalb der schützenden Mauern der Universität unter einem einzigartigen Mangel an Gelegenheiten litt, Frauen zu begegnen.
    Und hier ergab sich eindeutig eine Gelegenheit. Und ich war interessiert. Vielleicht sollte ich die Dame zuerst ausreden lassen, bevor ich sie zurückwies.
    Dann kam mir der Gedanke, dass eine solche Liaison die katastrophalsten Konsequenzen nach sich ziehen konnte, wenn sie von Tante Fonteyn entdeckt wurde – insbesondere, wenn sie uns auf frischer Tat in ihrem eigenen Hause ertappte. Die Einzelheiten einer solchen Szene entzogen sich mir, aber sie wären scheußlich, da war ich mir sicher. Ich fühlte eine unbarmherzige Kälte den Rücken heraufkriechen, als ich mich an den abscheulichen Vorwurf erinnerte, welchen Mutter mir und Elizabeth gemacht hatte, wobei wir doch vollkommen unschuldig waren. Würde es bei Tante Fonteyn um ein Vielfaches schlimmer sein – insbesondere in Anbetracht der fehlenden Unschuld in diesem Fall? Nein. Kein vergängliches Vergnügen, und sei es noch so groß, konnte dieses Unwetter aufwiegen.
    All dies und mehr ging mir im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf. Ich bereitete mich darauf vor, das großzügige Angebot der Dame elegant abzulehnen.
    Ich tat es wirklich.
    Jedoch war Clarinda nicht bereit, zu hören, wie ich mich entschieden hatte, und noch viel weniger war sie bereit, diese Entscheidung zu akzeptieren. Während ich stotterte, ohne die richtigen Worte zu finden, trat sie noch dichter an mich heran. Ich hatte einen ungehinderten Blick auf das tief ausgeschnittene Oberteil ihres Kleides und wie es ausgefüllt war, und dies beunruhigte mich sehr.
    »Oje.« Ich schluckte. Mein Blut begann zu kochen.
    »O ja, mein Liebling«, murmelte sie. Ohne hinunterzublicken, um sie an die

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