Der Matarese-Bund
abzuwerfen.«
»Der tote Mann hat immer noch keinen Namen«, sagte Scofield. »Zumindest die Ehre sollten Sie ihm erweisen. Er heißt Roger Symonds. Er ist ein ehrenwerter Mann; ich hasse diese Scheißwelt.«
»Auf die Gefahr, einfältig zu erscheinen, darf ich unterstellen – entschuldigen Sie, vorschlagen –, daß das, was Sie heute abend tun werden, jener traurigen Welt nützlich sein wird, die wir beide viel zu lange geschmäht haben.«
»Mir wäre lieber, Sie würden gar nichts unterstellen oder vorschlagen.« Bray sah auf die Uhr. »Er wird jetzt bald anrufen. Wenn das geschieht, geht Toni in die Lobby und bezahlt Mr. Edmontons Rechnung – das bin ich. Sie wird dann mit einem Hausdiener wieder heraufkommen und unsere Koffer und Aktentaschen zu dem Wagen hinunterschaffen, den wir auf den Namen Edmonton gemietet haben. Sie wird damit nach Colchester fahren. Dort wird sie in einem Restaurant, das Bonner's heißt, bis 11.30 Uhr warten. Wenn es zu irgendeiner Änderung im Plan kommt oder wir sie brauchen, können wir sie dort erreichen. Wenn sie nichts von uns hört, fährt sie weiter nach Nayland ins Double Crown Inn, wo unter dem Namen Vickery ein Zimmer für sie reserviert ist.«
Taleniekov richtete sich auf. »Niemand soll versuchen, meine Aktentasche zu öffnen«, sagte er. »Es ist eine Bombe darin.«
»In meinem Aktenkoffer auch«, erwiderte Scofield. »Noch Fragen?«
Das Telefon klingelte; alle drei starrten es an – ein Augenblick, der wie losgelöst vom Strom der Zeit schien, denn das Klingeln bedeutete, daß der Augenblick gekommen war. Bray ging an den Schreibtisch, ließ das Telefon ein zweites Mal klingeln und nahm dann den Hörer ab.
Was auch immer er erwartet haben mochte, sei es Gruß, Information, Instruktionen oder Enthüllungen – nichts auf dieser Welt hätte ihn auf das, was er hörte, vorbereiten können. Symonds Stimme war ein Ruf aus einer Welt der Qual, einem Schmerz, der so außergewöhnlich war, daß man ihn kaum glauben konnte.
»Sie sind alle tot. Das ist ein Massaker! Waverly, seine Frau, seine Kinder, drei Dienstboten… tot. Was, zum Teufel, haben Sie getan?«
»O mein Gott!« Scofields Verstand arbeitete fieberhaft, seine Gedanken übertrugen sich in sorgfältig gewählte Worte. »Roger, hören Sie mir zu. Das ist es, was ich verhindern wollte!« Er legte die Hand über den Hörer und sah Taleniekov an. »Waverly ist tot, alle Insassen des Hauses sind getötet worden.«
»Methode?« schrie der Russe. »Spuren an den Leichen. Waffen. Wir müssen alles wissen!«
Bray schüttelte den Kopf. »Das werden wir später erfahren.« Er nahm die Hand vom Hörer. Symonds redete schnell, er wirkte hysterisch.
»Es ist schrecklich. O Gott, das ist grauenhaft! Man hat sie hingeschlachtet… Wie Tiere!«
»Roger! Reißen Sie sich zusammen! Sie müssen jetzt zuhören. Das gehört alles in ein größeres Schema. Waverly wußte darum. Er wußte zu viel; deshalb hat man ihn getötet. Ich konnte ihn nicht rechzeitig erreichen.«
»Das konnten Sie nicht?… Um Himmels willen… Warum haben Sie, konnten Sie denn nicht… konnten Sie es mir denn nicht sagen? Er war Außenminister, Englands Außenminister! Können Sie sich denn vorstellen, wis für Folgen das… O mein Gott, eine Tragödie! Eine Katastrophe! Geschlachtet!« Symonds hielt inne. Als er wieder ruhiger zu reden begann, war offenkundig, daß jetzt der Profi im Geheimdienst, der er war, wieder die Kontrolle übernommen hatte, oder sich wenigstens um sie bemühte. »Ich möchte, daß Sie so schnell wie möglich in mein Büro kommen. Betrachten Sie sich als von der britischen Regierung festgenommen.«
»Das kann ich nicht. Bitten Sie mich nicht darum.«
»Ich bitte Sie nicht, Scofield! Ich erteile Ihnen einen direkten Befehl. Hinter diesem Befehl stehen die höchsten Behörden Englands. Sie werden dieses Hotel nicht verlassen! Bis Sie den Lift erreichen, ist überall der Strom abgeschaltet, und jede Treppe und jeder Ausgang wird bewacht.«
»All right, all right. Ich fahre zu MI-6«, log Bray.
»Man wird Sie eskortieren. Bleiben Sie in Ihrem Zimmer.«
»Vergessen Sie das Zimmer, Roger«, sagte Scofield und tastete nach Worten, die der Krise angemessen waren. »Ich muß Sie sehen, aber nicht in MI-6.«
»Ich glaube, Sie haben mir nicht zugehört!«
»Stellen Sie Wachen vor die Türen, schalten Sie die verdammten Lifts ab, tun Sie, wozu Sie Lust haben, aber ich muß Sie hier sehen. Ich werde jetzt dieses Zimmer verlassen, in
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