Der Matarese-Bund
Erklärung zum Teil auf Tatsachen beruhte. Scofield würde nach Lücken suchen, aber er würde das, was Amsterdam ihm sagte, nicht abweisen. Den Luxus konnte er sich nicht leisten. Er würde den Holländer als Geisel nehmen und dann wieder Position beziehen. Warten, beobachten, unsichtbar bleiben. Wassili stieß dem Holländer den Lauf der Graz-Burya ins rechte Auge.
»Marseille und Prag. Wo sind sie? Wo werden sie sein?«
»Außer den Hauptlifts gibt es nur zwei Ausgänge aus den Stockwerken. Die Treppe und der Personallift. Dort beziehen sie Position.«
»Wer ist wo?«
»Prag auf der Treppe, Marseille im Personallift.«
»Und wie ist der Zeitplan? Auf die Minute!«
»Fließend. Ich gehe um zehn Minuten nach zwölf auf die Türe zu.«
Taleniekov blickte auf die antike Uhr auf dem Schreibtisch des Hotelzimmers. Es war elf Minuten nach zwölf. »Dann haben die jetzt schon Position bezogen.«
»Ich weiß nicht. Ich kann meine Uhr nicht sehen, ich habe Blut in den Augen.«
»Und wie geht es weiter? Wenn Sie lügen, werde ich das wissen. Dann sterben Sie auf eine Art und Weise, von der Sie noch nie geträumt haben. Beschreiben Sie mir alles!«
»Der Punkt Null ist fünf Minuten nach halb. Wenn Beowulf inzwischen an keiner der beiden Positionen erschienen ist, soll der Raum gestürmt werden. Ich traue Prag offengestanden nicht. Ich glaube, er will Marseille und mich vorschicken, damit wir die ersten Schüsse abbekommen. Er ist wahnsinnig.«
Wassili stand auf. »Ihr Urteil über andere übersteigt Ihre eigenen Talente.«
»Ich habe Ihnen alles gesagt! Schlagen Sie mich nicht noch einmal. Um Gottes willen, lassen Sie mich die Augen abwischen. Ich kann nichts sehen.«
»Tun Sie das. Ich möchte, daß Sie klar sehen können. Stehen Sie auf!« Der Holländer erhob sich, seine Hände bedeckten sein Gesicht und wischten die Blutströme weg. Die Graz-Burya bohrte sich in seinen Hals.
Taleniekov stand einen Augenblick lang reglos da und sah das Telefon auf dem Schreibtisch an. Er war im Begriffe, mit einem Feind zu sprechen, den er ein Jahrzehnt lang gehaßt hatte. Gleich würde er seine Stimme hören. Er würde versuchen, das Leben dieses Feindes zu retten.
Scofield fuhr zur Seite, als die tödliche Klinge in sein Hemd schnitt, vom Stahl seiner Pistole abgelenkt, die er erst wenige Minuten vorher unter dem gestärkten Stoff verborgen hatte.
Die alte Frau war wahnsinnig, selbstmörderisch! Er würde sie töten müssen; dabei wollte er sie nicht töten!
Die Pistole.
Er hatte gesagt, vier Kugeln wären abgefeuert worden, zwei übrig. Sie wußte, daß es anders war!
Wieder ging sie auf ihn los, und ihr Messer zuckte in sich überschneidenden Diagonalen vor ihm hin und her. Es war tödlich, mit diesem Messer in Berührung zu kommen. Der kleinste Kratzer mit der vergifteten Klinge bedeutete unweigerlich das Ende. Er richtete die Pistole auf ihren Kopf und drückte ab; aber da war nur das Klicken des Abzuges zu hören.
Sein rechter Fuß schoß vor, traf sie zwischen Brust und Achselhöhle und ließ sie einen Augenblick lang taumeln. Sie war wie wahnsinnig und klammerte sich an dem Messer fest, als wäre es ihre Garantie für das Leben; wenn sie ihn berührte, war sie frei. Sie duckte sich, schwang den linken Arm vor und deckte die Klinge, die sie in der rechten Hand hielt. Er sprang zurück, suchte etwas, irgend etwas, das er dazu benutzen konnte, ihre Angriffe zu parieren.
Warum hatte sie vorher gezögert? Warum hatte sie plötzlich innegehalten und mit ihm gesprochen, ihm Dinge gesagt, die ihn zum Nachdenken veranlassen würden? Dann wußte er es. Dieser alte Falke war nicht nur bösartig, sondern auch klug. Sie wußte, wann es an der Zeit war, verbrauchte Kräfte zu erneuern, wußte, daß sie das nur erreichen konnte, wenn sie ihren Feind beschäftigte, ihn einlullte, auf einen unbedachten Augenblick wartete… eine Berührung mit der imprägnierten Klinge.
Wieder schoß sie vor. Das Messer zuckte vom Boden auf seine Beine zu. Er trat zu. Sie riß die Klinge zurück, stieß dann seitlich zu und verfehlte seine Kniescheibe um Zentimeter. Als ihr Arm nach links schwang, traf er sie mit dem rechten Fuß an der Schulter und schleuderte sie zurück.
Sie stürzte. Er packte den nächsten Gegenstand, der ihm in die Hand kam – eine Stehlampe mit einem schweren Bronzesockel – schleuderte ihn auf sie und trat gleichzeitig erneut nach der Hand, die das Stilett hielt.
Ihr Handgelenk war gebogen. Die Spitze der Klinge
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