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Der Medicus von Heidelberg

Der Medicus von Heidelberg

Titel: Der Medicus von Heidelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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dass es hart auf hart gehen sollte, habe ich einen Glücksbringer dabei«, sagte ich.
    »Eine Reliquie?«, fragte Gertrud neugierig.
    »Eher nicht.«
    »Ein Amulett?«
    »O nein.«
    »Sag schon, ein Talisman?« Wie alle Frauen schien Gertrud sich von Dingen mit geheimen Kräften angezogen zu fühlen.
    »Auch nicht.« Ich grinste und zog meinen schlafenden Welpen aus der Tasche. »Das ist Schnapp.«
    »Ein Hündchen? Da hast du mich aber an der Nase herumgeführt. Na, niedlich ist es jedenfalls.«
    Schnapp erwachte, schnupperte an Gertruds Gesicht und begann, es abzulecken. Gertrud lachte. »Alles was recht ist, der Kleine versteht es, einen einzuwickeln. Woher hast du ihn?«
    Ich erzählte es ihr und sagte: »Ich glaube, es ist bei ihm wieder so weit. Kannst du mal anhalten?«
    »Das geht schlecht. Hab schon viel Zeit verloren durch die kaputte Brücke in Rheinfelden. Halt ihn doch einfach seitlich raus. Vielleicht macht er was.«
    Ich versuchte es. Aber trotz allen guten Zuredens klappte es nicht. Schnapp wollte nicht. Er war es nicht gewohnt, sein Geschäft in der Luft zu verrichten. Gertrud seufzte. »Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig. Brrrrr!« Sie brachte die Kutsche zum Stehen.
    Ich kletterte vom Wagen und setzte Schnapp am Wegrand ab. Eifrig begann er zu schnuppern, die Nase dabei tief am Boden. Es sah aus, als suche er etwas. Dann hockte er sich hin. Ich atmete auf. Das war geschafft. Ich lobte ihn überschwenglich, sagte »Das hast du wirklich fein gemacht« und wollte ihn wieder in die Tasche stecken, als ein Ruf mich innehalten ließ. »Ach, ist der süß!«
    Die Kutschentür hatte sich geöffnet, eine junge Frau stieg aus. Sie trug eine weiße gestärkte Magdhaube und ein Kittelkleid aus Blautuch und fragte: »Darf ich ihn mal streicheln, Hochwürden?«
    »Sicher«, sagte ich. Ich gab ihr Schnapp in die Hände. Sofort begann sie, ihn zu herzen und zu liebkosen. Ich stand daneben und hatte Gelegenheit, sie zu betrachten. Sie war fast noch ein Mädchen, höchstens sechzehn Jahre alt, mit einem fröhlichen Gesicht, eher hübsch als schön, mit Sommersprossen auf den Wangen und einer Nase, die keck in den Himmel stand. Irgendwie kam sie mir bekannt vor, und ihr schien es nicht anders zu ergehen. Während sie Schnapp immerfort streichelte, rief sie plötzlich: »Lukas! Du bist es leibhaftig. Ich hab’s erst nicht glauben wollen, aber du bist es.«
    Ich muss recht einfältig dreingeblickt haben, denn sie lachte hell auf. »Erkennst du mich denn nicht?«
    »Nein, tut mir leid.«
    »Die Heuhoferin, die alte Zankliese. Erinnerst du dich wenigstens an die?«
    »Ja, sicher«, sagte ich. Die Heuhoferin stand mir noch lebhaft vor Augen. Ich hatte sie einschlafen lassen, damit sie uns Kinder beim Spielen mit ihrem Gekeife nicht störte. Und die kleine Resi war von ihr geschlagen worden … »Resi?«, fragte ich zögernd.
    »Erraten!« Sie strahlte. »Aber die Resi gibt’s nicht mehr. Ich heiß jetzt Thérèse, so, wie man’s französisch ausspricht, und bin erwachsen.«
    Das sehe ich, wollte ich antworten, denn nicht nur Resis Gesicht hatte sich sehr verändert, sondern auch ihr Oberkörper. Unter ihrem Kleid wölbte es sich verführerisch. Stattdessen sagte ich: »Du hast dich sehr verändert. Ich meine, sehr zum Vorteil natürlich.«
    »Danke, du aber auch. Bist sogar ein richtiger Priester geworden.« Thérèse lächelte schelmisch. »Und leider für die Weiblichkeit verloren.«
    »Hör mal, das mit dem Priester ist so …«, begann ich, doch ich wurde von Gertrud unterbrochen. »Genug geplauscht, es geht weiter!«, rief sie vom Kutschbock herunter. »Komm rauf, Lukas!«
    »Einen Moment noch!«, rief ich zurück und wollte Schnapp wieder an mich nehmen, doch Thérèse hielt ihn fest. »Kann ich ihn nicht ein bisschen behalten?«, fragte sie mit süßem Lächeln. »Weißt du, in der Kutsche ist es sterbenslangweilig. Mit mir sitzt noch ein Ehepaar drin. Der Mann ist so dick, dass er eine ganze Bank für sich haben will; die andere Bank muss ich mir mit der Frau teilen. Die beiden reden nur über Geld und tratschen über Leute, die ich nicht kenne. Was Trostloseres kannst du dir nicht vorstellen. Mit Schnapp würde mir die Zeit nicht so lang werden.«
    »Nun gut«, sagte ich, denn ich spürte, ich konnte ihr nichts abschlagen. »Aber pass auf, er muss öfter mal. Es wäre schade um dein Kleid.«
    »Keine Sorge.« Sie lachte. »Wir Frauen ahnen so was rechtzeitig.« Dann stieg sie anmutig in den Wagen

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