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Der Meisterdieb

Der Meisterdieb

Titel: Der Meisterdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Paläste und Handelshäuser noch nicht, und auch die Festung des Sarpha am überhängenden Felsen war kleiner und wäre damals leichter zu erobern gewesen«, lautete die Antwort. Luxon deutete hinauf. Undeutlich zeichneten sich gegen den Nachthimmel die Konstruktionen der Wurfmaschinen ab. Wieder kam in Luxons Blick etwas Träumerisches.
    »Ich wurde von König Aagolf wegen meiner schlanken Hüften und schmalen Schultern ausgesucht. Der Palast war nicht mehr als ein großes Haus mit starken Mauern, aber es gab nur eine Möglichkeit, unbemerkt ins Innere zu gelangen. Ein winziges Fenster, das mit kühnem Sprung von einem Baum aus zu erreichen war. In diesem Haus lebte die Prinzessin Sheba-Nocciyah, einige Monde vor ihrer Heirat mit einem Prinzen, dessen Name mir entfallen ist. Ich hatte sie nur einige Male aus der Ferne gesehen, inmitten ihres Hofgesindes. Aagolf wusste, dass ihre Familie reich war und dass die Truhen in ihren Gemächern voll von Schmuck waren, auch von Kostbarkeiten, die der ferne Prinz geschickt hatte.«
    Mythor hörte scharf zu, aber immer wieder warf er wachsame Blicke in die Runde. Unterhalb der Terrassenbrüstung fluteten die Bewohner Sarphands hin und her. Bettler kauerten in den Winkeln, reiche Bürger kamen und gingen in Gruppen, um sich zu unterhalten oder in die Läden der Handwerker zu spazieren. Ein Wasserverkäufer schlug seinen Gong. Ein Hund jaulte auf, Gelächter ertönte, und aus dem Dunkel stob ein Vogelschwarm auf.
    Es würde schwierig sein, in dieser Stadt zu überleben, sagte sich Mythor, wenn man sie nicht so genau kannte wie Luxon.
    *
    In einer wolkenverhangenen Nacht kletterten zwei Männer aus der Diebesbande und ich auf den Baum. Sie schlangen mir ein dünnes Seil um die Hüften und schlugen einen Knoten, der leicht zu öffnen war.
    Ich schob mich langsam auf dem mächtigen Ast vorwärts. Er wurde immer dünner und bog sich mit raschelnden Blättern tiefer und tiefer. Schon jetzt konnte ich durch das kleine Fenster blicken und sah einen herrlich eingerichteten Raum. Kostbare Teppiche und ein Bett voller schwellender Polster wurden von Kerzen beleuchtet.
    Hinter mir zischten die Männer. Sie waren ungeduldig.
    Ich tastete mich weiter vorwärts. Der Ast mit seinen dünnen Zweigen schüttelte sich und bog sich noch tiefer abwärts. Jetzt war das Fenster genau vor mir, aber knapp eine Mannslänge entfernt. Aus der Öffnung kam ein Duft, den ich noch niemals gerochen hatte.
    Wieder ein aufforderndes Zischen aus dem Baum hinter mir.
    Ich rutschte noch weiter vorwärts. Der Ast bog sich weiter, dann sprang ich. Wie ein federnder Balken schleuderte mich der zurückschnellende Ast schräg aufwärts. Meine ausgestreckten Hände fassten das Holz, meine Finger krallten sich um den Rahmen. Ich zog mich hoch und rutschte auf dem Bauch durch die Fensteröffnung. Mit den Schultern kam ich leicht durch den Rahmen, aber die Hüften scheuerten, und ich wand mich mit zappelnden Beinen hindurch.
    Ich machte eine Rolle vorwärts, und noch ehe ich auf den Beinen stand, hatte ich mich umgesehen. Ich wusste sofort, dass der Raum leer war. Ich drehte mich um und winkte aus dem Fenster zurück ins Dunkel. Ein dritter Zischlaut war die Antwort.
    Jetzt war ich allein. Niemand hatte mir vorgeschrieben, wie ich vorzugehen hatte. Aber ich sollte so schnell wie möglich mit dem kostbaren Schmuck zurückkommen. Ich knotete schnell das Seil los, das augenblicklich zurückgezogen wurde. Dann huschte ich zur nächsten Tür, öffnete sie einen Spalt und lauschte. Im Erdgeschoß des Hauses wurde gegessen; ich hörte Gespräche, das Klappern von Schüsseln und leises Klirren von Glas. Essensgerüche zogen verlockend durch das Treppenhaus.
    Sofort öffnete ich eine kleine Truhe, die auf einem niedrigen Tisch stand. Darüber hing ein Spiegel, eine polierte Metallplatte. Die Kerzenflammen verdoppelten sich in dieser golden scheinenden Fläche. Als ich die Truhe öffnete und das schwarze, weiche Tuch zurückschlug, wurde der Raum noch heller. Hunderte von Edelsteinen in goldenen und silbernen Fassungen, die schweren Glieder von Ketten und zahllose Armreifen funkelten und strahlten. Ich hängte mir einige Ketten um den Hals und schob Ringe um mein mageres Handgelenk. Ich suchte Fingerringe heraus und ließ sie in den dünnen Ledersack fallen. Ich nahm nur die Hälfte aller wertvollen Dinge aus dieser Truhe, faltete das Tuch zusammen und schloss die Truhe. Meine nackten Sohlen machten kein Geräusch, als ich um das Bett

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