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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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leisten konnte, aber er wusste sich nicht zu helfen: Nur wenn er ihr etwas mitbrachte, zeigte sie ihm Zuneigung. Sie wusste genau Bescheid über den Preis jedes einzelnen Gegenstands, und ihre Dankbarkeit stand im genauen Verhältnis zu dem Wert seines Geschenkes. Er kümmerte sich nicht darum. Er war zu glücklich, wenn sie ihm einen Kuss gab, als dass er sich Gedanken darüber gemacht hätte, wodurch er sich diese Gunst verdient hatte. Er entdeckte, dass sie die Sonntage zu Hause langweilig fand, und fuhr des Morgens nach Herne Hill, traf sie an ihrer Straßenecke und ging mit ihr zur Kirche.
    »Einmal in der Woche sollte jeder Mensch in die Kirche gehen«, sagte sie. »Das gehört sich doch, nicht?«
    Dann kehrte sie zum Mittagessen nach Hause zurück, er aß eine Kleinigkeit in einem Hotel, und nachmittags unternahmen sie im Brockwell Park einen Spaziergang. Sie hatten einander nicht viel zu sagen, und Philip, voll zitternder Angst, dass sie sich langweilen könnte – sie langweilte sich sehr leicht –, zerbrach sich den Kopf über Gesprächsthemen. Er bemerkte wohl, dass diese Spaziergänge für keinen von beiden besonders unterhaltsam waren, aber in Mildreds Nähe zu sein war ihm wichtiger als alles andere, und so tat er alles, um die Wege in die Länge zu ziehen, bis sie müde und verdrießlich wurde. Er wusste, dass sie sich nicht viel aus ihm machte, und versuchte, eine Liebe zu erzwingen, die, wie ihm sein Verstand sagte, ihrer Natur nicht entsprach: Sie war kalt. Er hatte kein Anrecht auf sie und konnte es dennoch nicht unterlassen, Forderungen an sie zu stellen. Nun, da sie sich näher kannten, fand er es schwerer, sich zu beherrschen; er war häufig verstimmt und hielt seine Zunge nicht im Zaum. Oft stritten sie, und dann sprach sie eine Weile nicht mit ihm. Damit zwang sie ihn jedes Mal zur Kapitulation, und er gab immer nach. Danach war er bitterböse auf sich selbst, weil er so wenig Würde gezeigt hatte. Sah er sie mit einem andern Mann sprechen, so wurde er rasend eifersüchtig und geriet völlig außer sich. Er beschimpfte sie, verließ die Teestube, und wälzte sich nachher die ganze Nacht schlaflos in seinem Bett, hin- und hergerissen zwischen Wut und Reue. Aber am nächsten Tag ging er doch wieder in die Teestube und flehte Mildred an, ihm zu verzeihen.
    »Sei mir nicht böse, ich habe dich so gern, dass ich mir nicht zu helfen weiß.«
    »Treib es bloß nicht zu weit«, konnte sie dann sagen, »sonst ist es eines Tages aus.«
    Er hatte den Wunsch, bei ihr zu Hause eingeführt zu werden, um gegenüber ihren anderen Herrenbekanntschaften im Vorteil zu sein; aber sie wollte nichts davon hören.
    »Meine Tante würde das komisch finden«, sagte sie.
    Sie wollte offenbar verhindern, dass er ihre Tante kennenlernte. Mildred hatte erzählt, diese wäre die Witwe eines Akademikers (das war für sie der Inbegriff von Ansehen), und war nun ängstlich, weil sie wusste, dass die gute Frau kaum als angesehen bezeichnet werden konnte. Philip vermutete, dass sie in Wirklichkeit die Witwe eines kleinen Geschäftsmannes war. Philip wusste, dass Mildred ein Snob war. Aber es gelang ihm nicht, ihr begreiflich zu machen, dass es ihm ganz gleichgültig war, welchem Stand ihre Tante angehörte.
    Den heftigsten Streit hatten sie eines Abends, als sie ihm während des Essens erzählte, dass sie von einem Herrn ins Theater eingeladen worden war. Philip erbleichte, und sein Gesicht wurde hart und streng.
    »Du wirst doch nicht hingehen?«, stieß er hervor.
    »Warum nicht? Er ist ein sehr netter Mensch.«
    »Ich gehe mit dir, wohin du willst.«
    »Das ist nicht das Gleiche. Ich kann nicht immer nur mit dir ausgehen. Außerdem hat er es mir überlassen, den Tag zu bestimmen, und ich werde einen Abend wählen, an dem ich nicht mit dir zusammen bin. Dann macht es für dich keinen Unterschied.«
    »Du hast kein Taktgefühl, nicht die geringste Spur von Dankbarkeit, sonst würdest du gar nicht daran denken zu gehen.«
    »Ich weiß nicht, was du unter Dankbarkeit verstehst. Wenn du auf die Sachen anspielst, die du mir geschenkt hast, so kannst du sie jederzeit zurückbekommen. Ich brauche sie nicht.«
    Ihre Stimme hatte den verstockten Ton, der ihr manchmal eigen war.
    »Es ist nicht sehr unterhaltsam, immer mit dir zusammen zu sein. Ewig heißt es: Liebst du mich? Liebst du mich? Das kann man nicht aushalten.«
    Er wusste, es war Wahnsinn, immer wieder diese Frage zu stellen, und doch konnte er sie nicht

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