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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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Fontainebleau fahren. Die Bäume würden gerade zu treiben beginnen. Das Grün der Wälder im Frühling war schöner als alles, was er kannte; es war wie ein Lied, und es war wie der glückselige Schmerz der Liebe. Mildred hörte ruhig zu. Er wandte sich ihr zu und versuchte ihr tief in die Augen zu sehen.
    »Du möchtest doch mit mir reisen, nicht wahr?«, fragte er sie.
    »Natürlich«, sagte sie lächelnd.
    »Du kannst dir nicht denken, wie sehr ich mich darauf freue. Ich weiß nicht, wie ich die nächsten Tage überstehen soll. Ich habe solche Angst, dass noch etwas dazwischenkommt. Es macht mich manchmal ganz verrückt, dass ich dir nicht sagen kann, wie sehr ich dich liebe. Und jetzt endlich – endlich…«
    Er hielt inne. Sie erreichten den Bahnhof. Aber da sie unterwegs ziemlich viel Zeit vertrödelt hatten, blieb Philip kaum eine Minute, um sich zu verabschieden. Er küsste sie eilig und rannte, so schnell er konnte, auf den Zug zu. Sie blieb auf der Stelle stehen, wo er sich von ihr verabschiedet hatte. Es wirkte seltsam grotesk, wenn er rannte.
    74
     
    Am darauffolgenden Samstag kam Mildred zurück, und an diesem Abend hatte sie Philip für sich. Er hatte Theaterkarten besorgt, und zum Essen tranken sie Champagner. Es war ihr erstes Vergnügen in London seit langer Zeit, und deshalb genoss sie alles ganz unbefangen. Sie kuschelte sich an Philip, als sie vom Theater aus zu ihr nach Hause fuhren; Philip hatte ihr ein Zimmer in Pimlico gemietet.
    »Ich glaube wirklich, du bist ganz froh, mich zu sehen«, sagte er.
    Sie antwortete nicht, sondern drückte sanft seine Hand. Sie war so selten zärtlich, dass es Philip ganz entzückte.
    »Ich habe Griffith eingeladen, morgen mit uns zusammen zu essen«, sagte er.
    »Ach, das freut mich. Ich möchte ihn gern kennenlernen.«
    Es gab am Sonntag keine Vergnügungsstätten, zu denen Philip sie hätte ausführen können, und Philip hatte befürchtet, dass sie sich langweilen würde, wenn sie mit ihm allein den ganzen Tag verbringen musste. Griffith war amüsant; er würde ihnen helfen, über den Abend hinwegzukommen; außerdem mochte Philip beide so gern, dass er sich wünschte, dass sie sich kennen- und lieben lernten. Er verabschiedete sich von Mildred mit den Worten:
    »Nur noch sechs Tage.«
    Sie hatten sich bei Romano verabredet, denn das Essen dort war ausgezeichnet und wirkte so, als kostete es viel mehr, als es in Wirklichkeit der Fall war. Philip und Mildred kamen zuerst und mussten eine Weile auf Griffith warten.
    »Er ist ein unpünktlicher Kerl«, sagte Philip. »Wahrscheinlich macht er gerade einer seiner zahlreichen Flammen den Hof.«
    Aber er erschien gleich darauf. Er war ein hübscher Bursche, groß und schlank; sein Kopf saß gut auf dem Körper, es gab ihm etwas Siegesgewisses, das sehr anziehend war. Sein gewelltes Haar, seine frechen, freundlichen blauen Augen, sein roter Mund waren bezaubernd. Philip sah, wie Mildred ihn voller Anerkennung ansah, und er fühlte eine seltsame Befriedigung darüber. Griffith begrüßte sie mit einem Lächeln.
    »Ich habe schon sehr viel von Ihnen gehört«, sagte er zu Mildred, als er ihre Hand nahm.
    »Nicht so viel wie ich von Ihnen«, antwortete sie.
    »Und nicht so viel Schlechtes«, sagte Philip.
    »Hat er mich angeschwärzt?«
    Griffith lachte, und Philip sah, dass es Mildred auffiel, wie weiß und regelmäßig seine Zähne waren und wie angenehm er lächelte.
    »Ihr solltet euch eigentlich wie alte Freunde vorkommen«, sagte Philip. »Ich habe euch so viel voneinander erzählt.«
    Griffith war allerbester Laune, denn jetzt, nachdem er endlich sein Examen bestanden hatte, hatte er die Berechtigung zu praktizieren und war bereits als Assistenzarzt in ein Krankenhaus im Norden Londons berufen worden. Er musste Anfang Mai dort seinen Dienst antreten und fuhr in der Zwischenzeit nach Hause in die Ferien. Es war seine letzte Woche in London, und er wollte sie so gut genießen, wie er nur konnte. Er fing an, den vergnügten Blödsinn zu reden, den Philip, da er selbst nicht mitmachen konnte, so bewunderte. Es lag zwar nicht viel drin in dem, was er sagte, aber durch seine Lebhaftigkeit gab es überall Pointen. Eine Lebenskraft ging von ihm aus, die jeden beeindruckte, der ihn kannte; man konnte sie fast so sinnlich spüren wie Körperwärme. Mildred war lebhafter, als Philip sie je gesehen hatte, und er war selig, dass seine kleine Gesellschaft ein solcher Erfolg war. Sie amüsierte sich prächtig. Mildreds Lachen

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