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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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dir das leisten kannst.«
    »Eigentlich kann ich es mir nicht leisten«, sagte Philip. »Aber das ist mir egal!«
    Da es noch zu früh war, um essen zu gehen, setzten sich Philip und Mildred in einen der Strandkörbe auf der Promenade, sonnten sich und betrachteten die Vorübergehenden. Da spazierten die Ladenburschen von Brighton zu zweit oder zu dritt und schwangen ihre Spazierstöcke, und die Ladenmädchen von Brighton trippelten gruppenweise kichernd dahin. Die Leute, die für den Sonntag von London gekommen waren, erkannte man sofort. Die frische Seeluft regte sie an. Es waren viele Juden darunter, kräftige Damen mit engen Satinkleidern und Diamanten, kleine, beleibte Männer mit einem gebärdenreichen Gehabe. Da waren Herren in mittleren Jahren, die aufs Sorgfältigste gekleidet hier in einem der großen Hotels ihr Wochenende verbrachten. Sie gingen fleißig spazieren, um sich nach einem zu reichlichen Frühstück Appetit für ein zu reichliches Mittagessen zu machen; sie begrüßten Freunde und sprachen von Dr. Brighton oder London am Meer. Hin und wieder kam ein bekannter Schauspieler vorüber, der sich die größte Mühe gab, so zu tun, als bemerke er die Aufmerksamkeit nicht, die er erregte; mal trug er Lacklederstiefel, einen Astrachanmantel und führte einen silberbeschlagenen Stock mit sich; mal sah er aus, als käme er direkt von einem Filmset und schlenderte in Knickerbockers, einem Ulstermantel aus Harris-Tweed und einem weit zurückgeschobenen Tweedhut herum. Auf dem blauen Wasser spiegelte sich die Sonne, und das Meer sah aus, als wäre es für den Sonntag säuberlich hergerichtet.
    Nach dem Essen gingen sie nach Hove, um die Frau zu besuchen, die die Pflege des Kindes übernehmen sollte. Sie wohnte in einem Häuschen in einer der hinteren Straßen, aber das Haus selbst war sauber und gepflegt. Die Dame hieß Mrs.   Harding. Sie war eine ältere, dickliche Person mit grauem Haar und einem roten, fleischigen Gesicht. In ihrem Häubchen wirkte sie mütterlich, und Philip hatte den Eindruck, dass sie auch freundlich war.
    »Werden Sie es nicht als eine schreckliche Plage empfinden, ein Kind versorgen zu müssen?«, fragte er sie.
    Sie erzählte, dass ihr Mann Pfarrgehilfe sei und beträchtlich älter als sie, der nur schwer feste Arbeit finden könne, da die Geistlichen lieber junge Leute nähmen. Er verdiente sich ein bisschen mit Vertretungen, wenn jemand Urlaub hatte oder krank wurde; eine Wohltätigkeitskasse gab ihnen eine kleine Pension. Aber sie fühlte sich einsam; es gäbe etwas zu tun, wenn ein Kind im Hause sei, und die paar Shilling, die sie pro Woche bekäme, würden das Wirtschaften erleichtern. Sie versprach, das Kind gut zu ernähren.
    »Eine richtige Dame, nicht wahr?«, sagte Mildred, als sie weggingen.
    Sie kehrten zu einer Tasse Tee ins Metropol zurück. Mildred war gern unter Menschen und hatte Freude an Konzerten. Philip war müde vom vielen Sprechen. Er saß da und beobachtete ihr Gesicht, wenn sie mit scharfen Augen die Kleider der hereinkommenden Damen musterte. Sie hatte eine besondere Fähigkeit, genau zu berechnen, was Sachen kosteten; hin und wieder beugte sie sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm das Ergebnis ihrer Überlegungen zu.
    »Siehst du dort die Aigrette? Die kostet mindestens sieben Guineen.«
    Oder: »Sieh mal den Hermelin, Philip! Es ist natürlich Kaninchen – kein Hermelin!« Sie lachte triumphierend. »Das sieht man doch auf einen Kilometer Entfernung.«
    Philip lächelte glücklich. Er war froh, mit anzusehen, wie sie sich freute. Ihre unbefangene Unterhaltung amüsierte und rührte ihn. Die Kapelle spielte gefühlsbetonte Schlager.
    Nach dem Abendessen gingen sie zum Bahnhof hinunter, und Philip nahm ihren Arm. Er erzählte ihr, welche Vorbereitungen er für ihre gemeinsame Reise nach Frankreich getroffen hatte. Sie solle Ende der Woche nach London kommen. Aber sie sagte ihm, dass sie nicht vor dem Samstag der nächsten Woche fort könne. Er hatte bereits ein Zimmer in einem Pariser Hotel reserviert. Er brannte darauf, die Fahrkarten zu kaufen.
    »Dir macht es doch nichts aus, in der zweiten Klasse zu fahren, oder? Ich glaube, es ist besser, wir sparen hierbei und lassen es uns dann dort gutgehen.«
    Er hatte ihr hundertmal vom Quartier Latin erzählt. Sie würden durch die beschaulichen alten Straßen streifen und faul im bezaubernden Jardin du Luxembourg sitzen. Falls das Wetter schön wäre und wenn sie von Paris genug hätten, könnten sie nach

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