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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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zurück. »Ich aber.«
    »Sei doch nicht so dumm«, sagte sie lachend.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich habe das ganz ernst gemeint. Ich hätte dich unter keinen andern Bedingungen eingeladen, hier zu wohnen.«
    »Wieso nicht?«
    »Ich könnte nicht. Ich kann dir das nicht erklären, aber es würde alles verderben.«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Na, also schön, wie du willst. Ich werde nicht auf den Knien darum betteln.«
    Sie ging aus dem Zimmer und warf die Tür hinter sich zu.
    93
     
    Am nächsten Morgen war Mildred mürrisch und wortkarg. Sie blieb auf ihrem Zimmer, bis es Zeit war, das Abendessen anzurichten. Sie war eine schlechte Köchin und konnte eigentlich außer Schnitzel und Steaks nichts besonders gut zubereiten; außerdem hatte sie keine Ahnung davon, wie man Reste verwertete, so dass Philip mehr Geld ausgeben musste, als er erwartet hatte. Als sie aufgetragen hatte, nahm sie ihren Platz Philip gegenüber ein.
    Aber sie aß nichts; er sagte etwas darüber, und sie meinte, sie hätte Kopfweh und wäre nicht hungrig. Er war froh, dass er den Rest des Tages anderswo verbringen konnte: Die Athelnys waren aufmunternd und freundlich. Es war ein wunderbarer Gedanke, dass dort jeder Einzelne sich auf seinen Besuch freute. Mildred war, als er zurückkam, bereits zu Bett gegangen, aber am nächsten Morgen war sie noch immer schweigsam. Beim Abendessen saß sie mit einem hochmütigen Ausdruck im Gesicht und gerunzelter Stirn da. Es machte Philip ungeduldig, er sagte sich jedoch, dass er Rücksicht auf sie nehmen müsse; er fühlte sich verpflichtet, Nachsicht zu üben.
    »Du bist sehr still«, sagte er mit freundlichem Lächeln.
    »Ich kriege meinen Lohn fürs Kochen und Reinemachen. Ich habe nicht gewusst, dass ich auch noch reden soll.«
    Er fand ihre Antwort sehr unfreundlich, aber schließlich musste er, wenn sie zusammenleben wollten, alles tun, was er konnte, um Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen.
    »Ich fürchte, du bist mir böse wegen neulich Nacht«, sagte er.
    Es war ihm peinlich, darüber zu sprechen, aber anscheinend war dies nötig.
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, antwortete sie.
    »Bitte sei mir nicht böse. Ich hätte dich niemals aufgefordert, herzukommen und hier zu wohnen, wenn ich nicht gemeint hätte, dass unsere Beziehungen rein freundschaftlicher Natur sein sollten. Ich habe es vorgeschlagen, weil ich dachte, du brauchst dringend ein Zuhause und weil du dann die Chance hättest, dich nach Arbeit umzusehen.«
    »Du brauchst nicht meinen, dass mir das was ausmacht.«
    »Das tue ich auch nicht«, beeilte er sich zu sagen. »Du musst nicht glauben, dass ich undankbar bin. Ich weiß schon, dass du es nur meinetwegen vorgeschlagen hast. Es ist nur so ein Gefühl, ich kann mir nicht helfen, es würde die ganze Sache hässlich und gemein machen.«
    »Du bist komisch«, sagte sie und sah ihn verwundert an. »Dich kann man nicht verstehen.«
    Sie war jetzt nicht mehr böse auf ihn, aber verwundert. Sie verstand überhaupt nicht, was er meinte. Sie nahm die Situation einfach hin; sie hatte sogar ein unbestimmtes Gefühl, dass er sich sehr nobel benahm und dass sie ihn eigentlich dafür bewundern müsste; andererseits aber fand sie ihn lächerlich und verachtete ihn sogar ein wenig.
    ›Er ist ein wunderlicher Kauz‹, dachte sie.
    Ihr Leben zusammen ging reibungslos weiter. Philip verbrachte den ganzen Tag im Hospital und arbeitete abends zu Hause, wenn er nicht gerade einmal zu den Athelnys oder in die Taverne ging. Einmal lud ihn der Arzt, dem er assistierte, zu einem feierlichen Essen ein, und zwei- oder dreimal ging er zu kleinen Festen, die die Kollegen veranstalteten. Mildred nahm die Monotonie ihres Lebens hin. Wenn sie etwas dagegen einzuwenden hatte, dass Philip sie manchmal abends allein ließ, so erwähnte sie es nie. Gelegentlich ging er mit ihr ins Varieté. Es blieb dabei, dass die Erledigung der häuslichen Pflichten als Gegenleistung für Wohnung und Essen das einzige Band zwischen ihnen bilden sollte. Sie hatte sich entschlossen, während des Sommers nicht nach Arbeit zu suchen, und entschied sich, mit Philips Zustimmung, bis zum Herbst zu bleiben, wo sie war. Sie glaubte, es würde leichter sein, dann etwas Passendes zu finden.
    »Meinetwegen kannst du, wenn du willst, auch nachher, wenn du Arbeit gefunden hast, hierbleiben. Das Zimmer ist da, und die Frau, die früher hier war, kann wiederkommen und auf die Kleine achtgeben.«
    Mildreds Kind wuchs ihm sehr ans Herz. Er war

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